Das Herz des Ritters
geben?«
»Welche Erklärung kann sie schon haben?«, erwiderte Halim. »Nichts könnte ihr Verhalten rechtfertigen. Eine anständige Frau wäre eher gestorben, als sich für das herzugeben, dessen Zeuge ich hier geworden bin. Eine Frau, die von Euch Ungläubigen beschmutzt wurde, ist in meinen Augen weniger wert als ein Stück Dreck!«
Zahirah stand zwischen den beiden Männern und starrte auf den dichten Rasen zu ihren Füßen. Sie war sich der Falle, die Halim für Sebastian auslegte, deutlich bewusst. Dass er sie so bereitwillig verteidigte, verriet dem Assassinen genug, um zu wissen, wie und wo er ansetzen musste. Halim würde Zahirah nach eigenem Gutdünken so behandeln, dass der Kreuzritter sie in seiner schützenden Obhut behielt, welchen Beleidigungen, Verletzungen und Demütigungen er sie dazu auch immer aussetzen musste.
Einst die Königin in diesem Intrigenspiel, hatte Halim sie nun zu einem machtlosen Bauern erniedrigt, musste sich Zahirah eingestehen.
»Wenn sich jemand eines schändlichen Verhaltens schuldig gemacht hat, dann ja wohl Ihr«, erwiderte der Hauptmann und spielte damit in Halims geübte Hände. »Eure Schwester ist ebenso keusch und unbefleckt wie vor unserer Begegnung im Souk.«
Halim gab ein zweifelndes Grunzen von sich. »Wollt Ihr mir wahrhaft weismachen, dass Ihr eine Frau von ihrer überwältigenden Schönheit in die Höhle der Heiden gebracht habt und niemand sie berührt hat? Ihr müsst mich für einen großen Narren halten.«
»Nein, ich halte Euch vielmehr für einen Mann, der zu voreiligen Schlüssen neigt. Ich gebe Euch mein Wort, dass niemand diese Frau angerührt hat. Sie ist keineswegs entehrt worden.«
»Als ob ich dem Wort eines Christen trauen würde«, höhnte Halim. Er packte Zahirah am Arm und zog sie ruppig zu sich hin. »Ich werde mich selbst davon überzeugen, ob sie ihre Tugend noch besitzt – und zwar jetzt gleich.«
»Halim!«, schrie Zahirah in blankem Entsetzen auf. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen seinen eisernen Griff, doch vergebens.
Ein Schaben verriet ihr, dass der Hauptmann sein Schwert aus der Scheide zog. »Das werdet Ihr nicht, Sir. Ich werde nicht zulassen, dass Ihr diese Frau mit Euren schmutzigen Verleumdungen oder Eurer Anwesenheit weiterhin demütigt. Nehmt die Hände von ihr. Auf der Stelle!«
»Damit sie Euch und Euren Männern dienen und ihre Gunst beweisen kann, ohne dass ich für die Mühen, die sie mir gemacht hat, eine Entschädigung erhalte? Ganz gewiss nicht.« Halim packte noch fester zu. »Auf dem Sklavenmarkt wird sie mir dank ihres Aussehens ein hübsches Sümmchen einbringen …«
»Ich glaube, Ihr habt mich nicht verstanden, Sir. Die Dame geht mit Euch nirgendwohin. Nicht heute und auch an keinem anderen Tag. Da Ihr jedoch ein Mann seid, der Geld offensichtlich weitaus höher schätzt als einen Blutsverwandten, hier …« Er griff in seine Tunika und riss sich eine Kette mit einem Anhänger vom Hals. Das goldene Medaillon glitzerte im Sonnenlicht auf, als er es Halim zuwarf. »Damit sollten Eure Mühen mehr als ausreichend vergolten sein. Und jetzt verschwindet aus meinen Augen, es sei denn, Ihr wollt mir das Vergnügen bereiten, Euch persönlich zu entfernen.«
Halim erhob keine Einwände. Er schloss die Hand um die lange Goldkette und warf Zahirah einen triumphierenden Blick zu, ehe er sie losließ und sich zum Gehen wandte.
»Halim«, flüsterte sie und hielt ihn am Arm fest. Zu ihrem Leidwesen gewahrte sie, dass in ihrer Stimme tatsächlich Angst durchschimmerte. »Bitte, lass mich nicht hier zurück.«
Er blieb stehen und musterte sie durchdringend, und obwohl Zahirah sich sicher war, dass es ihn nicht kümmerte, ob die anderen Männer ihn hörten, senkte er die Stimme zu einem Flüstern: »Wenn du versagst, werde ich dich töten. Hast du verstanden? Du hast nur das bekommen, was du verdienst, Zahirah. Ich bin mir sicher, du wirst das Beste daraus machen.«
Sie wusste, dass er es ernst meinte; wusste, dass er ihr dies alles aus vielerlei Gründen antat, nicht zuletzt, weil er sie für den Tod seines Bruders verantwortlich machte. Kaum merklich zuckte sie zusammen, als er die Hand ausstreckte und sie noch einmal demütigte, indem er den Schleier fortriss und ihr Gesicht vor den anderen Männern im Hof entblößte.
»Meinen Glückwunsch, Sir«, rief Halim bissig in der Lingua franca, die er nur gebrochen und mit starkem Akzent sprach. »Sie gehört ganz Euch.«
5
Sebastian überkam der heftige Drang,
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