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Das Herz des Ritters

Das Herz des Ritters

Titel: Das Herz des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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es ihm, seine Stimme gelassen und seine Miene gefasst wirken zu lassen. »Gebt euch nicht die Schuld, Mylady. Das habt Ihr nicht voraussehen können. Ihr habt nichts dagegen tun können.«
    Obwohl er sie zu beschwichtigen versuchte, schienen seine wohlmeinenden Worte sie nur noch mehr in Aufruhr zu versetzen. Als könne sie seine Stimme nicht länger ertragen, hob sie die Hand. Sie versuchte, aufzustehen, doch es gelang ihr nicht. Als sie schwankte, fing Sebastian sie auf und hob sie auf seine Arme. Sie barg den Kopf an seiner Schulter, umschlang seinen Hals und brach in leises Weinen aus.
    Sebastian ließ den Blick über die Menschenmenge schweifen und fing den Blick des Jungen auf, dem er in die Moschee gefolgt war. »Lauf zur Stadtmauer, wo meine Ritter arbeiten«, befahl er ihm. »Berichte ihnen, was geschehen ist. Sie sollen die Leiche …« Einen Fluch unterdrückend brach er ab. »Sie sollen meinen Freund in den Palast bringen.«
    Zahirah fühlte sich unendlich schwach. Alle Kraft war mit Abduls letztem Atemzug, mit dem Blut, das ihre Hände und Tunika befleckte, aus ihr herausgeströmt. Erfüllt von einer seltsamen Leere und Taubheit ließ sie es zu, dass Sebastian sie von dem Tumult in der Moschee fortbrachte. Sie spürte ihre Glieder nicht mehr, doch ihr Herz schlug dumpf in ihrer Brust und unter dem Nebel des Entsetzens fühlte sie, wie tief in ihrem Inneren ein Gefühl in ihr aufstieg, das so ätzend brannte wie die bitterste Galle.
    Die quälenden Gewissensbisse drohten förmlich, sie zu verschlingen – sie hoffte sogar, sie täten es, denn sie wusste nicht, wie sie die Bürde von Abduls Tod ertragen sollte. Sie hatte nie gewollt, dass er zu Schaden kam, und wünschte, sie wäre an seiner Stelle durch Halims Klinge gestorben. Abdul war ein guter Mensch gewesen, er hatte ein solch schreckliches Ende nicht verdient.
    Und dann war da Sebastian. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, barg ihr Gesicht in seinem Duft, seiner Wärme, fühlte sich in seinen starken Armen, in denen sie nicht liegen durfte, geborgen und sicher. Es tat schon weh, so heftig war ihr Bedürfnis, seine Umarmung zu spüren, so bitter die Erkenntnis, wie abgrundtief er sie hassen würde, wenn er erst herausfand, wer – und was – sie war.
    Zahirah schloss die Augen und lauschte dem Geräusch seiner Stiefel auf dem Straßenpflaster, spürte seinen Herzschlag an ihrer Wange. Sie wünschte, er würde immer weitergehen, dass er sie weit weg von hier bringen möge, irgendwohin, wo es ruhig und friedlich war, an einen Ort, an dem Schmerz, Kummer und Tod nicht gedeihen konnten. Es war ein Anzeichen von Schwäche, dass sie so dachte.
    Bei Allah, sie war zu schwach, um sich die Wahrheit einzugestehen.
    Sie musste auf dem Weg zum Palast vor Erschöpfung eingedöst sein, denn als sie die Augen wieder öffnete, legte Sebastian sie auf das Bett in ihrer Kammer. Er ging behutsam mit ihr um, als fürchte er, sie könne zerbrechen. Als ob er nicht wusste, dass seine Zärtlichkeiten ihr Verderben waren. Doch sie besaß nicht die Kraft, Einwände zu erheben, und ließ es zu, dass er ihr den Schleier vom Gesicht abnahm und ihr eine Haarsträhne aus der Stirn strich.
    »Alles ist gut«, sagte er, als sie zu ihm aufschaute. »Ihr seid nun in Sicherheit. Ich werde für Euren Schutz sorgen, Mylady.«
    Zahirah schüttelte matt den Kopf und biss sich in die Unterlippe, um eine unbedachte Antwort zu unterdrücken. Um sich davon abzuhalten, ihn zu umarmen, ballte sie die Hände zu Fäusten. An ihnen klebte Abduls Blut, und das Wissen darum ließ sie erneut in Tränen ausbrechen.
    Sebastian berührte leicht ihre Schulter. »Zahirah, es tut mir leid. Ich hätte heute bei Euch sein sollen. Abduls Tod …« Er brach abrupt ab und seufzte auf. »Ah, lieber Gott. Dass er zu Tode kam, ist meine Schuld, nicht Eure.«
    Eine kleine Flamme brannte in der Lampe auf ihrem Nachttisch und tauchte Sebastians Gesicht in ein goldenes Licht. Der Kummer hatte sich tief in sein Gesicht eingegraben, zeigte sich an den harten Linien um seine Mundwinkel, in den fest zusammengekniffenen Lippen und dem leichten Beben der Nasenflügel, wenn er atmete. Abduls Tod hatte ihn aufrichtig erschüttert. Es hätte sie nicht überraschen sollen, denn so wenig sie auch von ihm wusste, schien er doch ein mitfühlender Mann zu sein. Dass ihn jedoch der Tod eines Sarazenen bekümmerte, mehr noch, dass er um Abdul trauerte wie um einen wahren Freund, nicht weniger, als er um einen seiner

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