Das Herz des Ritters
überzogen.
»Ist Halim dafür verantwortlich?«, fragte er aufgebracht. Als sie nickte, fluchte er leise. »Er wird dich nie wieder verletzen. Solange noch Atem in meinem Körper ist, wird keiner von ihnen dir je wieder wehtun.«
Seine Worte, die offenkundige Anteilnahme und Zuneigung in seinen Augen sorgten dafür, dass sie sich falsch und verlogen vorkam. Ihr Lächeln bebte, als er sie in seine Arme zog. Sein Herz schlug in gleichmäßigem Rhythmus an ihrer Wange, seine Arme lagen stark und warm um ihre Schultern. Sie hoffte, Allah würde ihr vergeben, dass auch sie ihn umfing und sich einen kostbaren Moment glauben machte, dass sie seine Zuneigung verdient hatte, dass der Frieden, den sie in der Geborgenheit seiner Arme fand, von Dauer sein könnte.
»Ich wünschte, wir könnten die Zeit anhalten und uns für immer umarmen«, flüsterte sie und erschrak gleich darauf über die unbedachten Worte.
Sebastian strich ihr übers Haar und hob sanft ihr Kinn, sodass sie ihm in die Augen blicken musste. Dann beugte er sich vor und eroberte ihre Lippen mit einem süßen, sinnlichen, allzu flüchtigen Kuss. Viel zu bald schon löste er sich wieder von ihr, im selben Moment, da der Knappe mit Wasser und Imbiss zurückkehrte.
»Stell alles auf den Tisch, Junge«, sagte Sebastian, ohne den Blick von Zahirah zu nehmen.
Vermutlich hatte er bemerkt, dass er ungelegen kam, denn kaum hatte er das Tablett abgestellt, eilte der Knabe rasch wieder aus dem Zelt.
»Der König wartet«, meinte Sebastian. »Ich weiß nicht, wie lange die Besprechung dauern wird, aber wenn du irgendetwas brauchst, ruf nach Joscelin. Ich werde ihn anweisen, sich bis zu meiner Rückkehr in der Nähe des Zeltes aufzuhalten.«
Zahirah nickte und vermisste ihn schon jetzt. »Ich werde hier auf dich warten, Mylord.«
Kurz streichelte Sebastian über ihre Wange, dann durchmaß er mit langen Schritten das Zelt. Im Eingang blieb er noch einmal stehen und wandte sich zu ihr um. »Leiste mir bei dem Fest heute Abend Gesellschaft, Zahirah.«
»Bei dem Fest?« Sie schüttelte den Kopf. Sie wusste, wie unwillkommen Frauen bei den Gelagen ihrer eigenen Landsmänner waren, und konnte sich den Empfang, den man ihr in einem Zelt voller betrunkener englischer Waffenknechte und ihrem König bereiten würde, lebhaft vorstellen. Sebastian war sich darüber gewiss ebenfalls im Klaren, doch in seiner Miene las sie weder Zweifel noch Vorbehalte. Womöglich aber einen gewissen Trotz. »Hältst du das wirklich für ratsam, Mylord? Man wird mich am Tisch ganz gewiss nicht willkommen heißen. Schließlich bin ich eine Frau und obendrein gehöre ich dem Volk eurer Feinde an.«
Sebastians Blick war eindringlich, aber fest. »Du bist meine Frau«, antwortete er schlicht. »Leiste mir Gesellschaft, und jeder Mann wird mich beneiden.«
Obwohl sie nicht so töricht war, seine Worte ernst zu nehmen, errötete Zahirah bei dieser Schmeichelei. Es berührte ihr Herz zutiefst, dass er sie an seiner Seite wissen wollte. »Für einen Mann, der behauptet, nicht viel von höfischer Galanterie zu verstehen, scheinst du sie ausnehmend gut zu beherrschen, Mylord.«
Sein Lächeln ließ Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen. »Ist das ein Ja, Mylady?«
»Es ist mir unmöglich, dir eine Bitte abzuschlagen, wenn du mich auf diese Art anschaust.«
Er brummte selbstzufrieden, hob eine Braue und schenkte ihr ein verruchtes Lächeln. »Dieses Geständnis wird mir nun gewiss keine Ruhe lassen und mich quälen, solange man mich von dir fernhält«, meinte er gedehnt. »Ruh dich aus und erfrische dich. Ich lasse nach dir schicken, wenn das Fest beginnt.«
Sie nickte, aufgeregt wie ein liebeskrankes Mädchen, und sah ihm nach, als er sich unter dem Eingang durchduckte und ging. Von einer inneren Freude erfüllt, die ihr ein Lächeln auf die Lippen zauberte, wusch sie sich den Schmutz des Tages ab.
Staub, Blut und Asche trübten das Wasser, und beim Anblick des wirbelnden Schmutzes kam ihr unvermittelt der Gedanke, dass die Reinigung ihres Körpers – und Halims Tod – sie zumindest für den Augenblick von der Bürde ihrer Mission befreit hatten. Niemand hier wusste oder hegte einen Verdacht, wer sie tatsächlich war. Am wenigsten Sebastian. Für ihn war sie, wie er gesagt hatte, schlicht seine Frau. Seine Geliebte, nicht sein Feind.
Es war ein gefährlich köstliches Gefühl, die drückende Last ihres Schicksals von den Schultern genommen zu wissen, von den Fesseln ihrer Verpflichtung
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