Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
erwischen.«
»Ich bitte dich nicht um dein Einverständnis. Der einzige Grund, warum ich dir das erzähle, ist, um dich vor einer Gefahr zu warnen, die ich entdeckt habe. Es gibt Unruhen und Feindseligkeiten gegen die alten Götter. Man redet davon, die Tempel zu stürmen.«
Silvia starrte sie an. »Das kann nicht sein.«
»Es ist so, wenn ich es dir doch sage.« Sie sah Silvia nachdenklich an. »Weißt du, was das für uns bedeuten könnte? Wenn der Tempel der Vesta zerstört wird, wären wir frei. Frei, um zu heiraten, Kinder zu bekommen und ein normales Leben zu führen.«
Silvia schüttelte den Kopf. »Ich habe ein Gelübde abgelegt.«
»Unter Zwang, als du sechs Jahre alt warst.«
»Aber seitdem habe ich mich Vesta verschrieben. Ich bin an sie gebunden. Und an die anderen Vestalinnen auch. Kayla, ich flehe dich an, triff dich nicht mehr mit dem Imperator. Er hat eine eifersüchtige Ehefrau. Sie wird dafür sorgen, dass du bestraft wirst. Und wir anderen vielleicht auch.«
»In dieser Zeit politischer Unruhen bietet meine Verbindung zu ihm Sicherheit«, argumentierte Michaela.
»Ich sage dir, es ist zu gefährlich!«
Doch Michaela lächelte nur und zuckte mit den Schultern. »Was bedeutet Gefahr denn schon für unseresgleichen? Immerhin spielen wir doch alle sechs Nächte mit dem Feuer.«
17
M anchmal denke ich, Sonnenlicht könnte das beste Heilmittel sein«, brummte Bastian drei Tage später.
»Reden wir immer noch über das Schreiben des Rates?«, fragte Sevin.
Bastian nickte. »Denk nur an all die Anstrengungen, die wir unternehmen, um vor den Menschen zu verbergen, was wir sind. Wenn man es mit großer Vorsicht und Diplomatie anginge, wäre es dann nicht vielleicht besser, uns zu erkennen zu geben und über Bedingungen des Zusammenlebens mit den Menschen zu verhandeln?«
»Welch ketzerische Ideen, Bruder«, meinte Sevin.
Bastian zuckte nur mit den Schultern, ging zu dem Rauchglasfenser in Sevins Büro im dritten Stockwerk des Salone di Passione und sah von dort hinab auf den Hauptsaal. Er war in düsterer Stimmung. Heute hatte er seine Arbeit auf dem Forum früh beendet, um sich hier mit Sevin zu treffen. Ein weiteres Schreiben des Rates war eingetroffen, mit noch mehr düsteren Vorhersagen bezüglich der instabilen Verzauberungen, welche die Geschöpfe der Anderwelt vor Entdeckung in dieser Welt schützten. Nun nahte der Abend, und Feenkurtisanen kamen aus ihren Quartieren, um sich unter die Stammkunden zu mischen. Sein Bruder würde ihn wieder einladen, zu bleiben und sich zu vergnügen, aber Bastian würde wieder Ausreden erfinden. Es gab nur eine Frau, die er begehrte. Und die wollte ihm nicht einmal ihren Namen nennen.
Während er dem Treiben unten zusah, kam eine reizende Frau mit einem übertriebenen Hüftschwung durch den Hauptsaal zum Vorderausgang geschlendert, der die Blicke der Männer auf sie lenkte. Sie warf einen kurzen Blick hinauf in Bastians Richtung, und sein Interesse erwachte. »Wer ist das?«
Sevin sah von seiner Schreibarbeit auf: »Christiana.«
»Eine Angestellte?«
Sevin nickte. »Ich bin überrascht, sie auf den Beinen zu sehen. Man hatte mir gesagt, sie sei krank geworden. Wenn du willst, kann ich sie dir vor…« Doch der Rest seines Satzes verklang in der Luft, denn Bastian war schon zur Treppe verschwunden.
Sevins Angestellte kam bis zum Gehweg, als Bastian sie am Arm griff und aufhielt. Ihr Haar hatte die Farbe von frischer Butter, und sie trug ein dazu passendes Kleid. Farben. Sein Schwanz wurde augenblicklich steif.
»Wo, zur Hölle, bist du gewesen?«, wollte er wissen.
Die Frau lächelte, offenbar in fröhlicher Stimmung. »Auch dir einen guten Tag, Liebling.« Sie protestierte nicht, als er sie festhielt, sondern gab ihm einfach Zeit, sie nach Belieben prüfend anzusehen. Ihr Kleid war hochgeschlossen und überraschend züchtig, ihre Brüste voll und ihre Taille anziehend gerundet. Eine einzelne Locke blonden Haares hing ungezwungen über eine Schulter, der Rest war hochgesteckt, und ein kleiner Hut mit weißen Taubenfedern rundete ihre Aufmachung ab.
Nach einem Blick sagte er: »Und ich dachte, du hättest eine Abneigung gegen Vögelchen und alberne Rüschen.«
»Du denkst dabei an meinen letzten Wirt. Aber diese neue Gestalt hat sie recht gerne. Da musst du flexibel sein.«
Unwillkürlich musste Bastian lächeln. Wie Rico amüsierte sie ihn. Tatsächlich gab es so einige anziehende Eigenschaften, die sich bei allen Persönlichkeiten zeigten, in
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