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Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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leiseste Ahnung zu haben, was Ilari gefragt hatte. Doch in jedweder archäologischen Frage war das vermutlich der beste Rat. »Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen. Ich treffe Sie draußen, wenn ich es für notwendig erachte.« Damit ging er direkt zu seinem großen Ledersessel, ließ sich darin nieder und blickte prüfend über seinen Schreibtisch. Der abgewetzte Sessel war bequem, genau das Richtige für einen Mann seiner kräftigen Statur. Schon sein Vater hatte darin gesessen, als er die früheren Ausgrabungen hier auf dem Forum Romanum geleitet hatte. Das war vor elf Jahren gewesen, damals, als er noch am Leben war. Bevor Bastian ihn getötet hatte.
    Durch langjährige Praxis geübt, schüttelte er die unangenehmen Erinnerungen ab und begann damit, die Stücke durchzusehen, die säuberlich auf dem ausladenden Schreibtisch angeordnet lagen – Pläne, Werkzeuge, verschiedene Behälter mit Keramikscherben von gestern, ein Stapel leerer Grabungskarten und ein weiterer Stapel mit Karten, auf denen kürzliche Funde katalogisiert waren. Für gewöhnlich verbrachte er die Vormittage an seinem Schreibtisch und die Nachmittage auf dem Ausgrabungsgelände, wenngleich es da gelegentliche Überlappungen und immer viele Unterbrechungen gab. So sahen seine typischen langen und erfüllenden Tage auf dem Forum aus, die er dort verbrachte, vollkommen im Bann längst vergangener Zeiten.
    Es kam ihm vor, als seien nur Minuten vergangen, als er Sevins Stimme hörte. Noch eine Unterbrechung an einem Tag, an dem er es ohnehin kaum geschafft hatte, sich einen Moment Zeit zu nehmen für das, was auf seinem Schreibtisch lag. »Ich hoffe, du bist nicht zu erschöpft, um an den Festlichkeiten heute Nacht teilzunehmen, großer Bruder«, verkündete Sevin, als er die Eingangsklappe zurückschlug. »Ich meine, im Hinblick auf deinen strapaziösen Morgen auf dem Esquilin.«
    Bastian bedachte ihn nur mit einer gehobenen Augenbraue. Er sah keinen Grund, darauf zu antworten. Denn wie alle blutsverwandten Satyrn teilten er und seine Brüder die lustvollen Begegnungen der anderen, wenn auch aus der Ferne. Sobald einer von ihnen sich sinnlichen Vergnügungen hingab, erlebten alle anderen eine Art Echo dieses Vergnügens. Daher stand es außer Frage, dass sein Bruder darüber Bescheid wusste, dass er letzte Nacht und auch an diesem Morgen eine Frau gevögelt hatte.
    »Nun? Komm herein oder geh hinaus, aber entscheide dich für eines von beiden«, meinte Bastian, »bevor dieser Wind mein Feuer ausbläst.«
    Sevin kam herein und fläzte sich in den einzigen weiteren Sessel, der sich im Zelt befand. Leichte Vertiefungen, die er sich hartnäckig weigerte als Grübchen zu bezeichnen, zeigten sich auf seinen Wangen und betonten sein männlich gutes Aussehen. Zwar hatte keiner von Bastians Brüdern jemals Schwierigkeiten damit gehabt, anziehend auf Frauen zu wirken, doch Sevin war derjenige, zu dem sich Frauen jeden Alters hingezogen fühlten wie Fliegen zum Honig.
    Bastian hob die Hand über den Kopf und belegte mittels einer kurzen Drehung des Handgelenks die Umgebung des Zeltes mit einem Zauber gegen eventuelle Lauscher, die vielleicht gerade um das Zelt herumlungern mochten. Sicher, dass ihre Unterhaltung nun privat bleiben würde, fragte er: »Was bringt dich so früh hierher? Es sind noch Stunden bis Vollmond.«
    Sevin hielt einen Finger hoch. » Eine Stunde, Bruder. Einzahl.«
    »Verdammt. Wirklich?« Bastian musterte seinen Schreibtisch, frustriert, dass er sich schon bald in einem Zustand befinden würde, der ihn untauglich für Arbeit machte, verursacht durch das Hereinbrechen der Nacht. Es gab so viel zu tun, doch all das würde ganz plötzlich unwichtig erscheinen, wenn der Vollmond ihm befahl, an den sinnlichen Ritualen teilzunehmen, welche die Satyrn seit dem Anbeginn der Zeit genossen.
    »Aber da du schon fragst«, nahm Sevin den Faden ihrer Unterhaltung wieder auf, »ich bin gekommen, um mich nach dem Wohlbefinden meiner Angestellten zu erkundigen.«
    »Michaela?« Bastian warf ihm einen finsteren Blick zu.
    Sevins Miene war vollkommene Unschuld, doch seine silberblauen Augen blitzten voller Belustigung.
    Mit einer typisch italienischen Handbewegung wischte Bastian die Frage beiseite. »Du wirst heute Nacht selbst sehen, dass sie keinerlei Schaden genommen hat durch meine Aufmerksamkeiten.«
    »Ah. Deine Aufmerksamkeiten. Mit Regelmäßigkeit, nicht wahr?« Sevin legte seine langen Beine, an den Knöcheln überkreuzt, auf den Fußhocker,

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