Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
stützte die Ellbogen auf die Armlehnen des Sessel und drückte die Fingerspitzen gegeneinander.
Er wirkte sehr zufrieden, wie er so dasaß und es sich bequem gemacht hatte, um seine Neckereien zu genießen, vermutete Bastian. »Ich bin sicher, dass du dir ihrer Regelmäßigkeit genau bewusst bist. Ebenso wie mir die Unregelmäßigkeit bewusst ist, mit der sich derzeit Frauen in deinem Bett befinden.«
Sevins Lächeln wurde nur noch breiter. »Das ist wahr, zu meinem Leidwesen. In meinem Salon bin ich von Frauen umgeben, doch bin ich abgeneigt, eine von ihnen in mein Bett zu holen, damit sie nicht eine tiefere Zuneigung zu ihrem Arbeitgeber entwickelt. Ich habe schon früh erkannt, dass Bevorzugung schlecht für die Arbeitsmoral ist. Das Geschäft im Salone di Passione läuft gut, und neue Mitarbeiterinnen brauchen Unterkünfte. Doch gleichzeitig steht Michaelas Zimmer nächtelang leer. Soll ich es einer anderen zur Verfügung stellen, die es gewinnbringender nutzen wird?«
»Ich habe keine Heiratspläne, falls es das ist, was du in Erfahrung zu bringen wünschst«, erklärte Bastian. »Michaela und ich sind beide zufrieden mit dem gegenwärtigen Stand unserer Beziehung, und wir benötigen keinerlei Hilfestellung, in welche Richtung auch immer, von anderen Leuten, etwa Verwandten. Lass sie ihre Unterkunft im Salon behalten – eine Unterkunft, für die ich bezahle, wie ich dich erinnern darf – und als Schrank für ihre Habseligkeiten nutzen, so wie sie es gegenwärtig tut. Sie ist nicht dauerhaft bei mir eingezogen. Und wird es auch nicht tun.«
Sevin ließ ein leises Lachen hören, blieb ansonsten aber völlig unbeeindruckt. »Du bist brummig heute Abend wie ein Bär. Zu viele schlaflose Nächte?«
»Das Einzige, was mir den Schlaf raubt, ist das verdammte römische Parlament.« Bastian setzte sich ein Paar Vergrößerungsgläser mit elongierten Linsen auf die markante Nase und nahm das größte der Fragmente auf, die erst vor einer Stunde draußen bei den Ausgrabungen gefunden worden waren.
»Wie kommt’s?« Müßig nahm Sevin eine Urne aus Terrakotta vom nächsten Regal und betrachtete sie voller Abneigung. Sie war frisch ausgegraben und noch immer verdreckt.
Bastian warf ihm eine Drahtbürste zu. »Mach dich nützlich und poliere das zu Gold, ja?« Dabei lächelte er in sich hinein – er wusste, dass sein Bruder alles ablehnte, was mit den Ausgrabungen zu tun hatte.
»Terrakotta zu Gold? Das wäre mal ein netter Trick.« Sevin verzog das Gesicht, machte sich aber dennoch daran, über die Oberfläche der Urne zu bürsten. Ihr Vater, von Beruf Archäologe, hatte all seinen Söhnen als Kinder die grundlegenden Kenntnisse zur Durchführung von Ausgrabungen vermittelt, und Sevin beherrschte die Arbeit. Doch Bastian war der einzige, der in die Fußstapfen des Vaters getreten war.
Bastian stellte die Vergrößerung der Sichtgläser ein, bis er damit endlich die Schriftzeichen entziffern konnte, die ihm schon vorher auf der Scherbe aufgefallen waren: »Amata.« Geliebte. Er fuhr mit dem Daumen über das Wort, spürte die leicht körnige Oberfläche und genoss das Wissen, dass er gerade etwas berührte, das vor wer weiß wie vielen Jahrhunderten geschaffen worden war.
»Jeder Fund wird in den höchsten Tönen gepriesen und öffentlich zugänglich gemacht, aber kaum habe ich einen Fund gemacht, schreit das Parlament schon nach mehr«, fuhr er entrüstet fort. »Der neue Minister für alte Kultur hat keine Achtung vor der Geschichte, er interessiert sich nur für Macht und Gold.«
»Also, wenn ich diese niedere Tätigkeit hier dem Minister zu verdanken habe, dann teile ich deine Verachtung«, meinte Sevin und strich besonders energisch mit der Bürste über die Urne.
»Er hat politische Ambitionen, und die will er mit Hilfe unserer Entdeckungen verwirklichen, um seine eigene Position zu stärken«, erklärte Bastian. »Diese aufgeblasenen römischen Politiker auf der einen Seite und der Anderweltrat auf der anderen – das reicht wirklich, um einen Mann zum Trinker zu machen.« Daraufhin trat lastendes Schweigen ein.
»Ein Scherz, Bruder, nur ein Scherz«, fügte er hinzu, als das Schweigen sich in die Länge zog. »Gelegentlich mache ich welche.« Bastian straffte die Schultern, so dass sich der Stoff seiner Weste über die kräftigen Muskeln dehnte. Die Weste war in chinesischem Stil gefertigt, eines der vielen einzigartigen Dinge, die er mit achtzehn Jahren von seinen Reisen in den Orient mitgebracht
Weitere Kostenlose Bücher