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Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Vollmond rief, und schon bald heute Nacht sollte die ganze Familie auf seinem Land das Ritual begehen. Sein Körper fühlte bereits die beginnenden Vorzeichen. Seine Haut erhitzte sich, seine Lenden spannten sich an, und sein Schwanz wurde begierig darauf, eine Frau zu kosten. Und doch erschien all das in diesem Augenblick einfach unwichtig.
    Bastian blickte wieder zu der Erscheinung, und vorsichtig machte er einen Schritt auf sie zu. Daraufhin sauste das Mädchen blitzartig davon und verschwand direkt durch die Zeltleinwand hindurch in einem Wirbel aus schwarz-weiß-grauen Nebelschleiern.
    Und er stürmte durch den Zelteingang direkt hinterher und suchte draußen die Umgebung nach ihr ab.
    »Zwanzig Höllen! Bastian!«, fluchte Sevin und sprang auf die Füße. »Nicht heute Nacht. Das ist ein verdammt ungünstiger Zeitpunkt. Wem oder was auch immer du da nachjagst – kann das nicht warten?«
    Ilari kam herbeigerannt und warf einen Blick ins Zelt auf Sevin. Während er Bastians schnell entschwindende Gestalt beobachtete, fragte er mit kaum verhohlener Aufregung: »Was ist passiert? Ist es eine neue Entdeckung? Hat er etwas gesagt?«
    »Es ist nichts. Hier, stellen Sie das irgendwo ab.« Damit warf Sevin dem verblüfften Vorarbeiter die Urne zu, schlüpfte hastig in seinen Mantel, nahm den von Bastian vom Haken und lief hinter seinem Bruder her, den er in etwa zwölf Meter Entfernung auf einer Anhöhe ausgemacht hatte.
    Das Gelände des Forums wirkte gespenstisch im Dämmerlicht. Steinplatten erhoben sich hier und da wie die Geister ihrer Ahnen aus der Anderwelt, die einst Italien bevölkert hatten. Dazwischen tanzten Laternen in den Händen der Arbeiter hin und her wie riesige Glühwürmchen.
    Sevin erreichte seinen Bruder und murmelte ihm zu: »Höchste Zeit, dass wir uns in die Sicherheit unseres Hauses auf dem Esquilin begeben, denkst du nicht auch?« Und behutsam fuhr er fort: »Dane und seine Frau werden wahrscheinlich schon dort auf uns warten.«
    Bastian hörte ihn nicht; er stand absolut reglos da und wartete auf eine Bewegung des Geistermädchens. Es befand sich nicht mehr als drei Meter von ihm entfernt und wandte ihm den Rücken zu. Und von allen Anwesenden auf dem Forum war er der einzige, der es sehen konnte. »Was willst du mir zeigen?«, fragte er fast unhörbar. Der Wind fing seine Worte ein und wehte sie ihr zu. Ob sie sie gehört hatte? Zwar war er an sich ein ungeduldiger Mann, doch in manchen Angelegenheiten hatte er die Geduld von Saturn, dem römischen Gott der Zeit. Zum Beispiel, wenn es darum ging, die Geheimnisse des Altertums oder die einer Frau zu ergründen.
    Das Objekt seiner Faszination setzte seinen Weg fort und warf dabei immer wieder einen Blick zurück, um zu sehen, ob er folgte. Und er folgte ihr. Ihre zarten Füße berührten kaum den Boden und hinterließen keine Fußabdrücke. Er blieb hinter ihr, und seine Arbeitsstiefel aus schwarzem Leder zermalmten kleine Steine und drückten daumennagelgroße Mosaikteilchen tiefer in den trockenen vulkanischen Boden des Forums.
    Sevin folgte ihm schweigend und wachsam. Soweit er es überblicken konnte, gab es nichts Ungewöhnliches zu sehen. Aber sein Bruder sah etwas, was für andere unsichtbar blieb, und aller Augen waren auf ihn gerichtet. Um sie herum verstummten die Geräusche der Spitzhacken und der Besen, als die Untergebenen ihre Arbeit unterbrachen, um ihm zu folgen. Aufgeregtes Flüstern erhob sich. Ein Arbeiter gestikulierte, an einen anderen gewandt, der wiederum andere herbeirief, bis sich eine regelrechte Herde in seinem Gefolge befand. Sie alle erwarteten ein Schauspiel, begierig darauf, zu sehen, was der am meisten gefeierte Archäologe, den es in Rom je gegeben hatte, wohl dieses Mal entdecken würde.
    Sevin hatte seinen Bruder schon früher im Mittelpunkt solcher Szenen gesehen. Bastians Gabe hatte sich bereits im zarten Alter von fünf Jahren zum ersten Mal gezeigt, als eine seiner Visionen zu der Entdeckung der Geheiligten Petroglyphen der Altvorderen in der Anderwelt geführt hatte. Es war eine Entdeckung gewesen, die ihr Vater als seine eigene ausgegeben hatte, um Bastian vor einer Untersuchung des Rates zu schützen. Doch irgendwann hatte der Rat die Wahrheit herausgefunden und daraufhin die gesamte Familie hierhergeschickt, in diese Welt, um auf dem Forum mit Hilfe von Bastians Gabe nach Kostbarkeiten zu graben.
    Der Geist blieb abrupt an der nordöstlichen Ecke des Tempels von Kastor und Pollux stehen. Bastian

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