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Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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erkannte Emma sofort – in sich trug sie das erstarrte Bild von sich aus der Zeit, als ihr Leben sich so plötzlich geändert hatte. Und immer wenn sie auf Siebenjährige traf – zwei Kinder ihrer Kollegen im Institut waren so alt –, suchte sie unwillkürlich nach einer Verbindung zu ihnen. Aber sie kamen ihr stets jünger vor, als sie in ihrer Erinnerung selbst gewesen war. Sie waren viel abhängiger von Erwachsenen, leichter zu erschrecken.
    Emma schüttelte den Kopf. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass so ein kleines Kind jemanden beerdigt – geschweige denn die eigene Mutter.«
    »Das wäre für jedes Kind schrecklich. Und Sie haben recht, es wäre ungewöhnlich, dass ein europäisches Kind so stark ist. Sie werden sehr langsam selbständig. Aber eine andere Erklärung habe ich nicht.«
    »Wenn sie ihre Mutter so beerdigen kann, kann sie vielleicht auch auf sich selbst aufpassen. Die Suche muss so schnell wie möglich in Gang kommen.«
    Sie bückte sich und zog das Tuch sanft wieder über das Gesicht. Dann türmte sie zusammen mit Daniel die Steine über der Leiche auf. Nach und nach verschwanden die kleinen Vögel auf dem Stoff. Als sie fertig waren, pflückte Emma rasch einen kleinen Strauß Blumen – rosafarben und blattlos wie die Blumen im Labor – und legte sie ans Fußende des Grabes. Während Daniel den Inhalt des Beutels einsammelte, stand sie da und blickte auf die Blüten auf dem harten, dunklen Felsen. Eine schwache Brise streifte ihr Gesicht. Aus den abgebrochenen Stengeln stieg ihr der Duft der Blumen in die Nase. In der Ferne stieß ein Vogel einen hohen, schrillen Schrei aus.
    Emma stellte sich vor, wie die Frau dort unter den Steinen lag. Welche Qualen musste sie erlitten haben, als sie dem Tod entgegensah. Als Susan gestorben war, hatte sie zumindest gewusst, dass Emma sicher bei ihrem Vater und Mrs. McDonald zu Hause war. Aber zu sterben und das Kind ganz allein lassen zu müssen und in so schrecklicher Gefahr. Der Gedanke war unerträglich. Emma biss sich fest auf die Lippe, weil sie den Schmerz spüren wollte. Sie schlang die Arme um den Körper und blickte auf den Grabhügel. Die Luft wirkte angespannt, als ob jemand den Atem anhalten würde. Sie hatte das seltsame Gefühl, dass die tote Frau noch hier war. Und dass sie Emma bat, das zu tun, was sie nicht mehr tun konnte – dafür zu sorgen, dass ihr kleines Mädchen gefunden und sicher nach Hause gebracht wurde.
    Emma rieb sich mit der Hand übers Gesicht. Sie fühlte sich desorientiert. Wahrscheinlich stand sie unter Schock, sagte sie sich. Was sie heute erlebt hatte, hätte jeden durcheinandergebracht. Aber als sie sich abwandte und zum Landrover eilte, fasste sie einen Entschluss. Er trieb sie an, und sie lief schneller zum Wagen.
    »In welcher Richtung ist die Polizeistation?«, fragte sie Daniel.
    »Malangu ist dort drüben.« Daniel zeigte in die Richtung rechts vom Landrover. Auch dort erstreckte sich die Wüstensavanne: der gleiche steinige Boden, die gleichen Felsen – die gleiche graue Wildnis.
    »Dann können wir also direkt dorthin fahren?«
    Daniel schüttelte den Kopf. »Wir müssen den Weg wieder zurückfahren, den wir gekommen sind, um auf die Straße zu gelangen. Ich dachte, Sie wollten sowieso wieder zur Station? Ich könnte Sie dort absetzen. Mosi müsste mittlerweile aus dem Dorf zurück sein.«
    »Nein. Ich komme mit Ihnen.«
    Daniel blickte sie überrascht an, nickte dann aber, als verstünde er, dass sich ihre Prioritäten geändert hatten. Er schien sie mit neuem Respekt zu betrachten. »Wir können auch von hier nach Malangu fahren. Aber ich habe das noch nie gemacht.«
    »Nun, haben wir eine Landkarte im Landrover?«
    »Ich benutze keine Landkarten«, sagte Daniel. Aufmerksam blickte er in die Richtung, wo Malangu lag. »Ich bin auch schon lange nicht mehr zu Fuß unterwegs gewesen in diesem Gebiet, aber einen Teil zumindest kenne ich noch aus der Zeit, als ich als Junge hier das Vieh gehütet habe. Möglicherweise kommen wir nicht durch. Allerdings lohnt es sich wahrscheinlich, es zu versuchen. Wir wären dann viel schneller in Malangu.«
    »Dann lassen Sie uns losfahren.«
    Daniel nahm einen Kanister vom Rücksitz und füllte Benzin in den Tank des Wagens. Der Geruch stieg in die Luft. Emma wartete ungeduldig und blickte auf ihre Armbanduhr.
    Endlich konnten sie aufbrechen. Emma blickte zurück. Sie sah den rosa Fleck, der sich von dem dunklen Stein abhob. Er wurde immer kleiner und

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