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Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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sie zum Kochen, zum Basteln und zur Gartenarbeit zu bewegen. Aber es stellte sich heraus, dass die Aufforderung zum Stricken das letzte Angebot gewesen war, das Emma hatte ablehnen können. Nicht lange danach waren die Zwillinge zu früh zur Welt gekommen und hielten Rebecca Tag und Nacht mit ihren Bedürfnissen in Atem. Nick und Stevie waren wichtiger als alles andere, und Emma war sich selbst überlassen. Ihr kam es so vor, als hätte sie eine Schlacht gewonnen. Aber darunter lag ein kaltes Gefühl der Einsamkeit, was noch mehr schmerzte, weil sie ja wusste, dass Rebecca versucht hatte, wie eine Mutter zu ihr zu sein. Emma hatte sie weggestoßen, und jetzt war die Chance vertan.
    Emma legte die Hände um das Strickzeug und zerdrückte den Wollknäuel. Neu und unerwartet kam ihr der Gedanke, dass der Schaden, den der Verlust von Susan verursacht hatte, nicht zwangsläufig so tief und dauerhaft hätte sein müssen. Wenn Rebecca vielleicht nur ein Baby bekommen hätte statt zwei. Wenn sie nicht zu früh zur Welt gekommen wären. Wenn Emma ihre Stiefmutter früher kennengelernt hätte und nicht erst, als sie schon schwanger war. Wenn Emmas Vater nicht so viel gearbeitet hätte. Wenn, wenn, wenn …
    Emma wickelte die Wolle wieder auf und legte sie auf die Treppe. Sie blickte zum Hof, aber aus den Augenwinkeln sah sie die rote Wolle trotzdem. Sie schloss die Augen. Die Erinnerung an die Szene mit Rebecca hatte sie überraschend getroffen. Anscheinend hatte sie die Vergangenheit geweckt, indem sie hierhergekommen war, und jetzt hatte sie keine Kontrolle darüber, was an die Oberfläche kam oder wie es zu ihr sprach. Ihr Magen zog sich zusammen. Vielleicht hatte Simon recht, es war besser, nicht zurückzublicken.
    Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie die beiden Kamele müßig in der Sonne stehen. Sie bewegten sich nicht, nur ihre Ohren zuckten ab und zu, um die Fliegen zu vertreiben, und ihre Kiefer zermahlten das Futter. Das war das Problem, stellte sie fest – wie die Kamele hatte sie zu viel freie Zeit. Sie und Simon hatten immer ihre Laptops dabei, damit sie Unterlagen bearbeiten oder online Zeitung lesen konnten, wenn sie irgendwo Leerlauf hatten. Plötzlich dachte Emma an Daniels Labor. Es war so viel passiert, sie hatte es sich noch nicht einmal richtig angeschaut. Und sie hatte kaum mit Daniel über seine Forschungsarbeit gesprochen. Vielleicht konnte sie ihm ja irgendwie helfen. Schließlich arbeitete er hier buchstäblich allein, und er hatte ja angedeutet, dass die Dinge nicht zum Besten standen. Emma sprang auf. Sie konnte spüren, wie ihr Kopf klar wurde. Damit würde sie die Zeit gut nutzen. Und nicht nur das, gestand sie sich ein, es war auch eine willkommene Gelegenheit, Daniel mit ihrem Fachwissen und ihren Erkenntnissen zu beeindrucken. Sie wollte noch einmal diesen respektvollen Ausdruck in seinen Augen sehen.

    Emma stand mitten im Labor, drehte sich langsam einmal um sich selbst und schaute alles ganz genau an – dabei sah sie viele Dinge, die ihr bei ihrem ersten kurzen Besuch nicht aufgefallen waren. Daniel half Mosi, den neuen Kühlerschlauch einzubauen, und sie wartete darauf, dass er die Arbeit beendete. Erneut blickte sie zu dem kleinen Arbeitstisch. Die grobe Konstruktion des Isolators fiel ihr auf. Dann trat sie näher an das freistehende Gerüst in der Ecke heran. Es sah aus wie der Stand einer Wahrsagerin, mit Vorhängen aus Kinderzimmerstoff, der mit roten und blauen Zügen bedruckt war. Sie zog sie auf und spähte hinein. Ein matt schimmerndes Mikroskop stand dort. Es war ein altes Modell, das in Australien wahrscheinlich nur noch Schüler benutzen würden. Sie stellte sich vor, wie Daniel hier Tag für Tag saß und die Proben studierte, die er gesammelt hatte – wie er nach Beweisen für den Virus suchte und nichts fand. Auch Susan hatte hier gesessen, aber vermutlich jede Menge positiver Ergebnisse erzielt, schließlich war die Seuche bereits ausgebrochen. Es musste eine quälende Erfahrung gewesen sein, die Namen der Patienten auf den Röhrchen zu lesen und dann festzustellen, dass sie fast sicher zum Tode verurteilt waren. Es ging Emma durch den Kopf, wie tapfer Susan gewesen sein musste, sich einer so traumatischen Situation zu stellen. Kein Wunder, dass ihre Universität ihr zu Ehren ein Stipendium geschaffen hatte – den Lindberg Award for Excellence, den Medizinstudenten für hervorragende wissenschaftliche Leistungen bekamen. Und Susan war nicht nur eine

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