Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
Vom Netzwerk:
Bedürfnisse gesorgt ist – Fleisch, Blut, Milch und Tierfelle. Ein traditioneller Massai tötet keine wilden Tiere, um sie zu essen. Und sie verachten die Menschen, die den Boden umgraben und Pflanzen setzen.«
    »Aber Sie nicht«, stellte Emma fest.
    Grinsend blickte er auf. »Ich bin ein moderner Massai.«
    »Akzeptiert Ihr Vater denn, dass Sie anders sind?«
    »O ja. Mein Vater ist sehr stolz auf mich.«
    »Und Ihre Mutter?« Emma jätete weiter, während sie ihre Fragen stellte. Sie hielt ihren Tonfall absichtlich leicht, weil sie nicht zu inquisitorisch erscheinen wollte, aber Daniel machte sie neugierig. Er kam aus einer so völlig anderen Welt.
    »Natürlich liebt meine Mutter mich von ganzem Herzen. Ich bin ihr Erstgeborener. Wenn sie mich sieht, denkt sie immer an die Zeit, bevor ich ein moran  – ein Krieger – wurde, damals, als ich noch ein Junge war, unter ihrem Dach wohnte und sogar in ihrem Bett schlief.«
    Emma verspürte leisen Neid. Er sprach so selbstbewusst von der Liebe seiner Mutter – als ob er sie jeden Tag fühlen könnte wie Sonnenstrahlen auf der Haut. Während sie beobachtete, wie er die Erde hackte, dachte sie verwundert, wie selbstverständlich er sich als Krieger bezeichnete. Sie versuchte, ihn sich mit rotem Schlamm beschmiert vorzustellen, wie die jungen Massai-Männer, die zur Initiation vorbereitet wurden. Sie hatte im Fernsehen eine Dokumentation darüber gesehen. Ihr fiel ein, was in diesem Zusammenhang gesagt worden war.
    »Mussten Sie auch einen Löwen mit dem Speer erlegen, um ein Krieger zu werden?« Sie biss sich auf die Lippe. Wenn man es so formulierte, hörte sich das Ritual, Löwen zu töten, so primitiv und grausam an, dass sie befürchtete, Daniel beleidigt zu haben.
    Aber ihn schien die Frage nicht zu stören. »Heutzutage gibt es nicht mehr so viele Löwen, deshalb raten die Älteren einem nicht dazu. In meiner Altersgruppe wurden zum Glück keine Löwen mehr getötet. Aber mein Vater hat es noch gemacht. Und mein Großvater hieß bei allen nur ›Zwei Löwen‹ – natürlich auf Maa –, weil er zwei Löwen erlegt hat.«
    Emma jätete eifrig weiter. Am liebsten hätte sie Daniel den ganzen Tag über Fragen gestellt. Sie liebte seinen melodischen afrikanischen Akzent. Er verkürzte die Worte nicht – im Gegenteil, er gab jedem seinen vollen Raum in einem Satz –, und dadurch klang das, was er sagte, neu und besonders. Verstohlen blickte sie ihn an. Mit seinem wohlproportionierten Körper und seiner schimmernden Haut sah er aus wie ein Gott aus Ebenholz. Seine Gesichtszüge waren von einer perfekten Symmetrie. Emma spürte, wie ihr warm wurde. Unwillkürlich fragte sie sich, wie es wohl sein mochte, mit den Händen über diese starken Schultern zu streichen. Nervös senkte sie den Blick. Aber eigentlich war ihre Reaktion ganz natürlich, sagte sie sich. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, weil er körperlich das genaue Gegenteil von ihr war. Und jeder Student wusste, dass symmetrische Züge als attraktiv galten. Unter Darwinschen Gesichtspunkten war er ein begehrenswerter Partner.
    Als sie aufblickte, stellte sie fest, dass Daniel sie beobachtete. Sie spürte, wie ihre Wangen sich röteten.
    »Soll ich auch die Steine heraussammeln?«, fragte sie ihn. Sofort wurde ihr klar, dass das eine blöde Frage war. Wer wollte schon Steine in seinem Gartenbeet?
    »Das wäre gut«, erwiderte Daniel. »Das macht das Pflanzen leichter.«
    Emma überlegte, was sie sonst noch sagen konnte, damit das Gespräch wieder so entspannt wurde wie vorher. Vielleicht sollte sie ihn fragen, woher er die Narbe auf der Stirn hatte. Aber insgeheim wusste sie ganz genau, dass sie ihn am liebsten fragen würde, ob er verheiratet war oder eine Freundin hatte. Er hatte über seine große Familie gesprochen, aber Frau oder Kinder nicht erwähnt. Und es war offensichtlich, dass er hier mit Ndugu allein lebte. Emma wusste zwar, dass es nicht ungewöhnlich für afrikanische Männer war, ihre Familien in ihren Heimatdörfern zurückzulassen, wenn sie zur Arbeit woanders hinzogen, aber würde jemand wie Daniel seine Frau und seine Kinder nicht wenigstens im nächsten Dorf unterbringen, damit er sie besuchen konnte? Am liebsten hätte Emma ihn geradeheraus gefragt – schließlich hatte er sie auch sofort gefragt, ob sie verheiratet wäre. Aber sie war sich nicht sicher, wie er ihr Interesse interpretieren würde. Und sie hatte Angst, noch stärker zu erröten. Sie beugte sich über das

Weitere Kostenlose Bücher