Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
Wohnung aufschloss und ihr der Geruch nach Möbelpolitur und Desinfektionsmittel, den ihre Putzfrau hinterlassen hatte, in die Nase drang. Sie sah die Post, die ihre Nachbarin gesammelt und auf den Esstisch gelegt hatte – ein paar Schreiben waren an sie adressiert, aber der Rest an Simon. Sie stellte sich vor, wie der Anrufbeantworter blinkte. Wie die Heizung knarrte, als sie ansprang, um das leere Haus zu heizen, damit Simons Sammlung von Landkarten nicht feucht wurde.
»Zu Hause scheint mir weit zu sein. Es klingt komisch, aber das hier kommt mir alles wesentlich realer vor.« Sie machte eine weit ausholende Handbewegung, die die Umgebung des Camps, George, Angel und die Löwin mit einschloss. Sie wandte sich an Daniel, dessen Gesicht im Feuerschein kaum zu erkennen war. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Ich komme mir vor wie jemand anderer.«
Daniel schaute sie an. »Ich empfinde es genauso.«
13
A ngel drückte ihren Kopf an Moyos Flanke. Sie spürte die knochigen Rippen unter dem weichen Fell und atmete tief den tröstlichen Geruch ein – der warme Duft nach Milch, vermischt mit dem metallischen Geruch nach Blut, und den Moschusduft, der von der Löwin selbst auszugehen schien. Auf dem Boden neben Angel schliefen eng aneinandergekuschelt die Jungen. Mdogo regte sich wimmernd, und Angel beugte sich vor, um ihm über den Rücken zu streicheln. Moyo hob kurz den Kopf, dann legte sie sich wieder hin, als sei sie zufrieden, dass alles in Ordnung war.
Angel rutschte tiefer in das Sandbett. Sie war von rastloser Energie erfüllt und wollte noch nicht schlafen. Sie wollte sich einen Plan zurechtlegen, damit sie morgen früh vorbereitet war. Nachdenklich ließ sie Sand durch die Finger rinnen. Zuerst einmal musste sie alle Fakten sammeln, sagte sie sich – jede Kleinigkeit, die sie seit ihrer Ankunft hier herausgefunden hatte –, und sie sich im Kopf zurechtlegen. Durch das Leben mit Laura hatte sie viel Übung darin, neue Orte und Leute einzuschätzen. Es war eine wichtige Fähigkeit, die es ihr ermöglichte, rasch Freunde zu finden und sich in jedem neuen Dorf eine eigene Nische zu schaffen.
Sie blickte zu dem alten Mann, der auf seinem Feldbett schlief. Über seinen Namen war sie sich nicht ganz im Klaren. Der Koch nannte ihn Bwana Lawrence, aber alle anderen sagten George. Er lag immer noch auf dem Rücken, die weißen Haare auf dem Kissen ausgebreitet. Anscheinend war er an dieses schmale Bett gewöhnt, denn er lag ganz still, die Arme eng an den Leib gedrückt. Falls er eine Frau oder Kinder hatte, dann lebten sie nicht hier. Die Löwen waren seine Familie. Es war offensichtlich, dass er Moyo liebte. George Lawrence war ein guter Mensch, dachte Angel. Jemand, dem sie vertrauen konnte.
Ndisi. Angel beschwor sein Gesicht herauf. Er hatte eine Reihe kleiner Narben auf der Stirn, direkt unter dem Rand seiner Kappe. Ihn mochte sie auch. Er machte Witze über Moyo, aber sie sah, wie liebevoll er mit ihr umging. Und als die beiden Babylöwen, die auch hier im Camp lebten, sich ängstlich hingekauert hatten, als sie die neue Löwenfamilie auf dem Gelände sahen, war Ndisi sofort in ihr Gehege gelaufen, um sie zu trösten. Und als Girl knurrend am Tor gestanden hatte, hatte er sie weggescheucht.
Angel blickte zu dem Paar, das am Kochfeuer saß – der Massai-Mann und die weiße Dame. Glühende Holzscheite beleuchteten ihre Gesichter. Der Mann war nur als dunkler Umriss zu erkennen, gelegentlich blitzten seine weißen Zähne auf. Das Gesicht seiner Begleiterin war das genaue Gegenteil – ein weißes Oval, von dem sich die dunklen Augenbrauen, Augen und Haare abhoben.
Angel konnte nicht hören, was sie sagten, dazu waren ihre Stimmen zu leise. Sie glaubte nicht, dass sie wapenzi waren wie die Paare, denen sie und Zuri nachspionierten, Dungkugeln hinterherwarfen und versuchten, dabei nicht zu lachen. Die beiden hier hielten sich nicht an den Händen und gingen auch nicht Arm in Arm herum. Aber sie sah ihnen an, dass sie einander mochten. Wahrscheinlich arbeiteten sie zusammen, dachte sie, an diesem Ort, den sie »Station« nannten. Vielleicht wohnten sie dort auch wie die Nonnen, die ihre eigenen Zimmer an einem Ende des Krankenhauses hatten.
Instinktiv vertraute sie dem Massai genauso wie den beiden anderen Männern. In dem Moment, in dem er Maa mit ihr gesprochen hatte, hatte sie sich bei ihm wohl gefühlt. Und er war derjenige, der Mama Kitus Fuß operiert hatte. Etwas in seinen Bewegungen erinnerte
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