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Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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den Jungen musste sie beibringen, dass Mama Kitu und Matata Teil der Familie waren und keine Beute, aber das konnten sie sicher lernen. Es könnte alles funktionieren.
    Trotzdem hatte sie einen Knoten im Magen. Sie konnte nicht einschlafen, und immer wieder glitten ihre Blicke zu den Schatten, als ob dort etwas Wichtiges verborgen sei. Und dann wurde es ihr klar. Ihr ganzer Körper verkrampfte sich. Der Plan funktionierte doch nicht. Sie konnte nicht hier allein mit George Lawrence und Ndisi und den Löwen bleiben. Sich um die Kinder zu kümmern, das war Aufgabe der Frauen. Die Leute aus dem Dorf würden bald herausfinden, dass sie hier war, und sie würden wissen wollen, warum sie keine Mutter, Tante oder Großmutter hatte. Sie würden sagen, dass niemand sich richtig um sie kümmern würde, und früher oder später würden sie sie bei der Polizei oder einem Wildhüter verraten. Angel starrte blicklos vor sich hin. Sie hatte Angst, dass man sie dann nach England schicken würde, zu dem Onkel, von dem Laura ihr erzählt hatte. Angel hatte den Pass zwar weggeworfen, aber das bedeutete noch lange nicht, dass ihn niemand finden konnte. Verzweiflung stieß auf sie herab wie ein Raubvogel auf seine Beute.
    Sie musste einen Weg finden, um hierbleiben zu können. Sie musste einfach. Fieberhaft dachte sie nach. Sie blickte zum Kochfeuer, und in diesem Augenblick hob Emma den Kopf. Angel schaute sie an, als sähe sie sie zum ersten Mal. Und plötzlich hatte sie eine Idee: Emma konnte dafür sorgen, dass der Plan funktionierte. Sie konnte Angel zu ihrer Tochter machen. Das passierte in den Dörfern ständig. Wenn eine Frau viele Kinder hatte, ihre Schwester aber nur wenige, dann suchte sich die Tante ein Kind aus und nahm es mit in ihre Hütte. Wenn alle mit dem Arrangement zufrieden waren, dann gehörte das Kind zu dieser Tante. Emma konnte mit dem Massai weiter in der Station leben, und sie musste nur ab und zu das Camp besuchen und sich mit ihr zusammen bei den Dorfbewohnern zeigen. Oder Angel konnte zu Emma und dem Massai in die Station ziehen. Dann konnte sie Moyo immer mal wieder besuchen, und die Kamele waren schon da. Der Plan würde in jeder Hinsicht funktionieren.
    Angel blickte zu Emma, die sie betrachtete. Leichte Nervosität stieg in ihr auf. Die Frau wirkte so ernst. Sie schien kein Mensch zu sein, der gerne und viel lachte. Und sie wirkte immer so beschäftigt, auch wenn sie nicht viel tat. Möglicherweise hatte sie nicht genug Zeit, um einem Kind zu helfen. Und noch ein Gedanke kam Angel. Ihr wurde ganz kalt. Wenn Emma nun Kinder nicht leiden konnte? Wenn sie Angel nicht mochte? Schließlich war nicht jeder wie die Nonnen, die alle Menschen liebten.
    Angel löste sich von Moyo, ganz vorsichtig, um sie nicht zu wecken, und nahm eine andere Position ein, von der aus sie Emma besser sehen konnte. Dann rollte sie sich auf der Seite zusammen und blickte auf den hellen Kreis, den sie vom Gesicht der Frau sah, und dachte an etwas, das Zuri ihr einmal erzählt hatte.
    »Wenn du beim Einschlafen jemanden beobachtest«, hatte er gesagt, »dann nimmst du sein Gesicht mit in deine Träume. Damit kannst du ihn in dir behalten. Und wenn er dann aufwacht, dann denkt er sofort an dich und will dein Freund sein.«
    Angel zweifelte nicht daran, dass das stimmte. Zuri hatte so sicher und klar geklungen, als ob er ihr berichtete, wer den Fußspuren nach in der Nacht an seiner Hütte vorbeigegangen war.
    Sie lag ganz still, beobachtete Emma und zwang ihre müden Augen, jedes Detail an der Frau wahrzunehmen. Sie lauschte dem Murmeln ihrer Stille und nahm alle Eindrücke tief in sich auf. Erst als sie wusste, dass sie alle in ihrem Kopf gespeichert waren, schloss sie langsam die Augen.

14
    E mma stand mit Angel am Eingang zu dem Gehege, in dem die beiden verwaisten Löwenjungen Bill und Ben waren. Durch den Maschendrahtzaun betrachtete sie das Gelände. Von einem Ast hing eine Schaukel aus einem alten Autoreifen herunter. Auf dem Boden lagen ein zerrissener Ball aus Leinwand und ein alter Korb, der in Fetzen zerkaut war. Und mittendrin lagen die Löwenjungen. Sie schliefen in der Morgensonne, so eng aneinandergeschmiegt, dass sie aussahen wie ein großes, pelziges Tier.
    Angel hielt zwei Flaschen mit Milch an die Brust gedrückt. Sie hatte sich gerade gewaschen, in Georges »Buschdusche«, wie er es nannte – einen Behälter mit winzigen Löchern im Boden, der mit heißem Wasser gefüllt und in einem Baum aufgehängt worden war.

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