Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
beruflich in die Fußstapfen
seines Dads gestiegen, hat geglaubt, seine Mutter sei Jungfrau, und seine
Mutter hat geglaubt, er sei Gott.« Rabbi Bloom grinste, und ich musste
schmunzeln.
    »Nun ja, Shay predigt nicht das, was
Jesus gepredigt hat.«
    Der Rabbi lachte. »Und Sie waren damals
dabei, oder woher wissen Sie das so genau?«
    »Ich weiß, was in der Bibel steht.«
    »Ich habe nie verstanden, wie jemand - ob
Jude oder Christ - die Bibel so lesen kann, als würde sie unumstößliche Fakten
liefern. Evangelium bedeutet gute Nachricht. Nachrichten aktualisieren eine
Geschichte, sie lassen sich auf das Publikum zuschneiden.«
    »Ich weiß nicht, ob ich sagen würde, dass
Shay Bourne hier ist, um die Geschichte Christi für die heutige Generation auf
den neuesten Stand zu bringen«, erwiderte ich.
    »Dann frag ich mich, wieso er so viele
Anhänger gefunden hat. Man könnte fast denken, es zählt weniger, wer er ist,
als das, was alle in ihm sehen wollen.« Rabbi Bloom suchte seine Bücherregale
ab, bis er schließlich einen staubigen Band herauszog, den er durchblätterte,
bis er fündig wurde. Dann las er: »Jesus
sprach zu seinen Jüngern: Vergleicht mich, sagt mir, wem ich gleichem Simon
Petrus sprach zu ihm: >Du gleichst einem gerechten Engels Matthäus sprach zu
ihm: >Du gleichst einem weisen Philosophen.< Thomas sprach zu ihm:
>Meister, mein Mund ist völlig unfähig auszusprechen, wem du gleichst Jesus
sprach: >Ich bin nicht dein Meister. Da du getrunken hast, bist du zu
trunken geworden von der sprudelnden Quelle, die ich vermessen habe.<«
    Er klappte das Buch wieder zu, während
ich überlegte, woraus die Bibelstelle war. »Geschichte wird immer von den
Siegern geschrieben«, sagte Rabbi Bloom. »Der hier war einer von den
Verlierern.« Er reichte mir das Buch, und im selben Augenblick steckte Maggie
den Kopf zur Tür herein.
    »Dad, du versuchst doch nicht schon
wieder, ein Exemplar von Die
besten Rabbiwitze zu verhökern, oder?«
    »Ob du's glaubst oder nicht, Father
Michael hat bereits eins, noch dazu signiert. Können wir essen?«
    »Ja.«
    »Gott sei Dank. Ich hab schon befürchtet,
deine Mutter hätte den Tilapia verkohlen lassen.« Sobald Maggie wieder in der
Küche verschwunden war, sagte Rabbi Bloom zu mir: »Wissen Sie, Maggie hat Sie
zwar als Häretiker vorgestellt, aber den Eindruck machen Sie ganz und gar
nicht auf mich.«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Ihnen ist sicher bekannt, dass das Wort Häresie von dem griechischen
Wort für Wahl stammt.« Er zuckte mit den Achseln. »Das gibt einem zu denken. Könnte
doch sein, dass die Ideen, die immer als ketzerisch galten, gar nicht
ketzerisch sind, bloß Ideen, auf die wir bisher nicht gekommen sind - oder
nicht kommen durften.«
    Das Buch, das der Rabbi mir gegeben
hatte, fühlte sich in meinen Händen plötzlich so an, als würde es glühen.
»Haben Sie Hunger?«, fragte Bloom.
    »Einen Bärenhunger«, gestand ich und ließ
ihn vorausgehen.
     
    JUNE
     
    Als ich mit Ciaire schwanger war, wurde
bei mir eine Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert. Ich glaube, ehrlich
gesagt, bis heute nicht, dass das stimmte - eine Stunde vor dem Test war ich
nämlich mit Elizabeth bei McDonald's gewesen und hatte den Rest ihrer
überzuckerten Orangenlimo getrunken. Aber meine Gynäkologin hatte mich aufgrund
der Testergebnisse nun einmal zu einer strikten Diät verdonnert. So war ich
pausenlos hungrig, bekam zweimal die Woche Blut abgenommen und hielt bei jedem
Ultraschall den Atem an, wenn das Wachstum des Babys überprüft wurde.
    Die positive Seite? Ich kam in den Genuß
von weit mehr Ultraschalluntersuchungen als die meisten Mütter und wurde laufend
mit aktuellen Porträts versorgt. Für Kurt und mich wurde es so alltäglich,
unser Baby zu sehen, dass er mich irgendwann nicht mehr zu den wöchentlichen
Kontrollterminen begleitete. Er hütete Elizabeth, während ich auf dem Monitor
im Krankenhaus ein Füßchen, einen Ellbogen, das Naschen dieses neuen Kindes
bestaunte. Im achten Monat konnte ich die Haare meiner Tochter erkennen, die
Rillen in ihrem Daumen, die Wölbung ihrer Wange. Sie sah auf dem Bildschirm so
real aus, dass ich manchmal regelrecht vergaß, dass sie noch in mir war.
    »Bald ist es so weit«, hatte die Ärztin
an jenem letzten Tag zu mir gesagt, während sie mir mit einem Waschlappen das
Gel vom Bauch wischte.
    »Sie haben leicht reden«, erwiderte ich.
»Sie müssen im achten Monat nicht noch eine Siebenjährige auf Trab

Weitere Kostenlose Bücher