Das Herz ist eine miese Gegend
er, wenn auch bitter, darüber lachen.
»Ich will den Kerl nicht mehr sehen«, sagte Karen schlicht.
Wieder einige Wochen später war eine Postkarte von Bo gekommen, auf der stand: Es tut mir leid, bitte verzeiht mir. Sie antworteten nicht.
Das Buch war fertig, und mit der zweiten Rate des Vorschusses wollten sie nach Griechenland fliegen. Drei
Tage lang lagen die zwölf Belegexemplare in einer Reihe auf dem Schreibtisch, und Giovanni konnte sich kaum von dem Anblick lösen. Daß die Bücher einander glichen wie ein Ei dem anderen, machte ihn stolz und aufgeregt und begeisterte ihn so, daß er nicht wußte, wie er Karen sein Gefühl erklären sollte.
Erst am Tag vor der Abreise schaffte er es, einige zu verschicken. An Bo, an Ilse, an seine Eltern und Laura. Die restlichen acht packte er ein.
»Wer ist das, Laura Dowles?« fragte Karen.
»Meine erste Freundin. Ist verheiratet in Amerika. Schon lang.«
Er horchte seiner eigenen Stimme hinterher. Hatte das zu beiläufig geklungen? Oder nicht beiläufig genug? Hätte er die Bücher nicht schon vor zwei Tagen verschicken können, als Karen noch arbeitete? Aber was sollte sie schon Böses denken, wenn er seiner ersten Liebe sein erstes Buch schickte. Die Wahrheit vielleicht. Das wäre schlimm.
Sie teilten das Zimmer mit einer fast durchsichtigen rosa Eidechse. Zuerst waren sie befremdet und ängstlich gewesen beim Anblick der glaslosen Fensterlöcher, der Dusche, neben der ein Hammer lag, mit dem man an das Rohr schlagen mußte, um Wasser zu bekommen, das dann, wenn es lief, im ganzen Haus für Aufruhr sorgte. So laut donnerte und rauschte es auf seinem Weg vom Dach herunter. Zuerst auch glaubten sie, nicht schlafen zu können bei dem schrillen Lärm der Zikaden. Aber schon in der zweiten Nacht hörten sie den verwunschenen Ruf einer Nachtigall, als gäbe es keine Zikaden mit ihrem viel lauteren Krach. Sie begrüßten die Eidechse, wenn sie nach Hause kamen, und suchten nach ihr, wenn sie sie nicht in ihrer gewohnten Zimmerecke fanden.
Bald wurden sie aufgenommen in einen Kreis junger Leute um die Tochter des Vermieters, und so saßen sie am Tag und lasen dicke Bücher und sprachen mit den Griechen jede Nacht. Sie waren glücklich.
Karen fühlte sich aufatmen, fühlte eine Ruhe, die zu Hause niemals eintrat, und las aus dem Herbstprogramm, was sie interessierte. Giovanni hatte selbst nur wenige Bücher mitgenommen, denn er wußte, er würde nur die Hand aufhalten müssen, damit Karen ein Buch, das ihr gefiel, hineinlegte. Sie war eine Art Vorkoster seines Lesefutters. Sie mußte, und er durfte.
Ganze Stunden auch, wenn Karen zum Strand gegangen war, saß er im Kafenion und träumte. Von seiner triumphalen Rückkehr, von einem überquellenden Briefkasten, Interviewwünschen, Briefen von Lesern, der Ankündigung der nächsten Auflage, dem einen oder anderen Literaturpreis, Lizenzangeboten aus aller Welt - es waren wunderbare Träume. Zwei Urlaubsbekanntschaften schenkte er das Buch und wartete betont gleichmütig auf ihr Urteil. Sie lobten es beide, sagten, eine Liebesgeschichte dieser Art hätten sie noch nicht gelesen, und wollten es Freunden empfehlen. Von da an war ihm jedes Treffen mit ihnen peinlich, und er kam sich wie ein Angeber vor.
Nachts, wenn sie nicht in der Runde saßen und redeten, machten sie lange Spaziergänge den Strand entlang und gingen, die Augen zum Himmel gerichtet, bis sie irgendwo anstießen. Sie machten Wettbewerbe im Sternschnuppensehen. Karen gewann jedesmal.
Giovanni verwandte jede zweite Sternschnuppe für die Beschwörung, das Buch möge sich gut verkaufen, obwohl er glaubte, solche eigensüchtigen Wünsche seien nicht der Sinn der Sache. Die anderen verteilte er gerecht auf Karen, Laura und Bo, und jeden siebten Wunsch erbat er sich für Ilse. Karen schlief mit ihm am Strand, aber nur ein einziges Mal, denn hinterher war sie wund vom feinen Sand. Auch er brauchte Tage, um sich davon zu erholen, doch dem Glück, das sie empfanden, fehlte nichts.
Zwei Tage vor der Heimreise setzte sich Karen auf ihn und wiegte sich sanft, und das Licht auf ihren Brüsten sah so aus, wie der Schrei des Nachtvogels klang. Zitternd, melancholisch, weich und wie verträumt, und sie wiegte ihn in eine weiche, lange und ziehende Lust hinein. Und noch lange, nachdem sie selbst gekommen war, saß sie aufrecht da, die Knie an seinen Seiten. Als horchte sie nach irgendwo, den Kopf zu ihm geneigt, verharrte sie so und ließ die Lust ganz langsam
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