Das Herz Von Elowia
weg. Er konnte sie nicht ansehen. Sie hatte recht. Der schale Geschmack des Betrugs, den er begangen hatte, schmeckte umso bitterer, je öfter er in ihre Augen sehen musste. Hereket streifte die Träger wieder hoch, zog sorgfältig ihr Kleid glatt und sagte leise in die unangenehme Stille hinein: »Entschuldige. Ich hole uns etwas zu trinken.«
»Ja tu das«, antwortete Dorn nur knapp, froh darüber, kurz allein sein zu können.
Fahrig ließ er sich zurück auf seinen Sessel sinken und starrte zur Gewölbedecke hinauf.
Erst als er ihre Schritte hörte, setzte er sich wieder aufrecht hin. Sie stand mit gefasster Mine vor ihm. In ihrer schmalen Hand hielt sie zwei Gläser mit Blutwein, in der anderen eine ganze Flasche.
Sie reichte ihm wortlos sein Glas und setzte sich ihm gegenüber. Sie überschlug ihre Beine und hob ihr Glas zu einem flüchtigen Gruß. Über den Rand des Glases hinweg sahen ihn zwei goldene Augen anklagend an.
Er hob den Becher an seine Lippen und trank den schweren Wein in einem Zug leer. Hastig, um die eisige Kälte zwischen ihnen zu überbrücken, griff er nach der Flasche und schenkte sich ein weiteres Glas ein. Er spülte den schalen Geschmack in seinem Mund mit einem großen Schluck Blutwein hinunter, während sie nur da saß und ihn anschaute.
Ein weiterer Becher folgte und noch einer, bis die Flasche leer war. Sie erhob sich und kam auf ihn zu. Ihre Umrisse verschwammen vor seinen müden Augen. Die bleierne Gleichgültigkeit des Alkohols betäubte seinen Geist und machte sein Fleisch willig. Jetzt hätte er sie sofort genommen und alles wäre ihm egal gewesen. Es wäre ihm egal gewesen, in wessen Gesichter er sah, wenn er sie hart und heftig nehmen würde.
Sie beugte sich zu ihm runter und seine Hände glitten in ihr Dekolleté, doch sie richtete sich wieder auf und ließ seine Annäherung zu seiner Enttäuschung ins Leere laufen.
Sie breitete eine Decke über ihn aus. »Schlaf gut, Dorn«, säuselte sie, dann verließ sie mit leisen Schritten das Zimmer.
Dorn schloss seine Augen. Sie war wahrlich eine Puppe mit dem rauchigen Duft einer Dämonin. So ganz anders als die heißblütige Alrruna. Hatte man ihr denn nicht gesagt, wie grausam es war Männer so zu quälen?
Als Dorn wieder zu sich kam, dröhnte sein Kopf dementsprechend der Menge an Wein, die er getrunken hatte.
Er schüttelte sich. Irgendwas war anders. Jedes Tier in seiner Burg schien zu schweigen. Die unnatürliche Stille ließ ihn aufschrecken. Er erhob sich und drehte seinen Kopf. Die Wände, die Hallen und die Gänge sonst immer mit dem Gemurmel der Fledermäuse erfüllt lagen totenstill da.
»Hereket«, brüllte er heiser.
»Hereket«, schrie er verzweifelt, während er sich panisch seinen Mantel überstreifte und aus dem Zimmer eilte.
Die Stille macht ihn ganz wahnsinnig. Er rannte durch die dunklen Gänge, die jeden seiner Schritte einfingen und als dunkles Echo wiedergaben.
Er riss die Schlafzimmertüre auf, doch das Bett war unberührt. Er schmiss die Türe zu und rannte weiter. Seine Lungen brannten und er fühlte wieder diese Ohnmacht, die er schon einmal gefühlt hatte, als Hereket verschwunden war.
Kopflos stürmte er in das Zimmer von Mijaka. Er blieb keuchend stehen und stützte sich an dem Türgriff ab. Dort lag sie, neben Mijaka eingerollt auf dem Bett und schlief.
Er atmete auf und versuchte sein Herzschlag zu beruhigen.
Er trat an das Bett heran und deckte seine Frau wieder zu. Mijaka hatte die ganze Decke auf ihre Seite gezogen und sich bis zur Nasenspitze eingerollt.
Er strich seiner Tochter liebevoll über die Stirn, küsste seine Frau und verließ auf Zehnspitzen das Zimmer. Behutsam schloss er die Türe hinter sich. Er wischte sich mit seiner Hand den Schweiß aus der Stirn und schnaufte auf. Dennoch die Stille blieb.
Er wollte zurück zu dem Kaminzimmer gehen, doch irgendwas hielt ihn zurück und er schlug die entgegengesetzte Richtung ein. Er steuerte direkt auf Sennas Zimmer zu. Kurz vor der Türe hielt er inne. Er wollte seine Tochter nicht sehen, wie sie teilnahmslos und schwach im Bett saß. Die Augen ohne jeglichen Glanz, wie ein geistloser Körper.
Er legte die Hand auf den Griff. Er wartete. Auf was er wartete, wusste er nicht. Ihm gingen die Worte von Alrruna durch den Kopf. Senna sein Kind, sollte für die Prophezeiung geopfert werden. Senna sein Kind? Senna war nicht seine Tochter und doch liebte er sie, wie sein eigen Fleisch und Blut, vielleicht war das auch der Grund, warum er ihr nie nah sein
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