Das Hexen-Amulett (German Edition)
Matthäus, des Markus, des Lukas und des Johannes. Sir Grenvilles Widersacher trachteten danach, an drei Siegel heranzukommen, egal an welche. Denn wer über drei Siegel verfügte, kontrollierte den Bund und trug den Sieg davon.
Mit diesen Gedanken kehrte er ins Unterhaus zurück. Das Problem beschäftigte ihn schon seit Jahren, genau genommen seit Gründung des Bundes.
An das Siegel des Apostels Markus würde Lopez nicht herankommen, denn das war in Conys Besitz und gut gehütet. Fest stand auch, dass er keine Chance hatte, das Siegel des Apostels Lukas für sich zu gewinnen, denn das war bei dem Juden Lopez ebenso sicher aufgehoben wie das Markussiegel bei Sir Grenville.
Blieben noch zwei weitere Siegel. Das des Apostels Matthäus hatte Dorcas Slythe, daran bestand für ihn kein Zweifel mehr. Falls es Lopez in die Hände fallen würde, wäre das Spiel fast verloren, der Kampf vom Feind gewonnen. Allein der Gedanke tat weh.
Noch ungeklärt war der Verbleib des Johannessiegels. Es hatte Christopher Aretine gehört, dem Vater des Bundes. Sir Grenville hasste ihn, den gescheiterten Poeten, Gelehrten und Soldaten, wie man nur hassen konnte. Aretine, so hieß es, war tot. Cony hätte einiges darum gegeben, sich dessen sicher zu sein und auf den verwesten Überresten seines Feindes zu tanzen. Stattdessen musste er der Aussage des Seefahrers Glauben schenken, der, von der amerikanischen Siedlung in Maryland zurückgekehrt, Sir Grenville bei allen Heiligen geschworen hatte, dass Aretine tot und begraben sei. Wo aber war sein Siegel?
Sir Grenville quetschte seinen massigen Leib an den Bankreihen des Unterhauses vorbei und zermarterte sich den Kopf. Wo war das Siegel des Apostels Johannes? Wer mochte es jetzt haben und ihm womöglich die Kontrolle über den Bund streitig machen?
Er nahm Platz und starrte in den Staub, der durch den Lichtstrahl über dem Stuhl des Parlamentssprechers wirbelte. Plötzlich dachte er an Ebenezer Slythe, ein Gedanke, der ihn ein wenig beruhigte. Sir Grenville hatte ihn eingeweiht und über alle Einzelheiten informiert, abgesehen von der Höhe der zu erwartenden Einkünfte, und er hatte förmlich sehen können, wie die Gier in dem verkrüppelten Körper erwacht war. Ebenezer war intelligent und verschlagen, ehrgeizig und skrupellos. Aus ihm hätte, so dachte Cony, ein hervorragender Advokat werden können. Nun aber wollte er ihn einem anderen Amt zuführen, einem Amt, für das er sich dank seiner Frömmigkeit und grausamen Neigungen bestens eignete. Sir Grenville war entschlossen, Ebenezer zu benutzen, um den Bund zu gewinnen.
Er hörte eine Weile einem salbadernden Dummkopf zu, der vorschlug, die beschlagnahmten Ländereien der Royalisten unter den Armen der jeweiligen Gemeinden aufzuteilen. Den Armen! Was würden die denn schon mit einem solchen Geschenk anzustellen wissen, außer es mit den eigenen Exkrementen zu düngen und mit ihren Wehklagen zu versäuern? Sir Grenville klatschte artig Beifall, als der Redner auf seinen Platz zurückkehrte.
Sir Grenville ließ den Gedanken an eine Niederlage gar nicht erst zu. Die Flucht des Mädchens hatte ihm zwar einen Rückschlag versetzt, doch er würde es finden und mit Ebenezers Hilfe unschädlich machen. Er würde sich den Triumph nicht nehmen lassen, weder von einem verdammten Juden noch von einem toten Dichter oder einer hirnlosen Metze. Sir Grenville knirschte mit den Zähnen. Er würde siegen.
13
Campion dachte manchmal an den Bach zurück, jenen heimlichen Ort ihrer ersten Begegnung mit Toby, den sie auch in den Tagen nach dem Tod ihres Vaters aufgesucht hatte, und sie erinnerte sich daran, wie sehnsüchtig sie in dieser unglücklichen Zeit daran gedacht hatte, Werlatton zu verlassen und dem Lauf des Baches zu folgen, wohin er sie auch führen mochte. Genau dazu war es, wie es ihr nun schien, gekommen. Der Tod von Matthew Slythe hatte sie einem großen, dunklen Fluss mit reißender Strömung ausgesetzt, hatte sie nach London verschlagen, wo sie in gefährliche Stromschnellen geraten war, denen sie nur mit knapper Not hatte entkommen können, schließlich war sie in das ruhige und von der Sonne beschienene Wasser von Lazen gespült worden. Es schien, als wären ihre zahllosen Gebete schließlich erhört worden.
Der Herbst und Winter 1643 waren für Campion eine sehr glückliche Zeit, überschattet nur von Tobys Abwesenheit und dem ungelösten Rätsel um das Siegel.
Auch Toby hatte sich einen langgehegten Wunsch erfüllt. Er stand als
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