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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Gebäude der Philosophischen Fakultät getreten und hatte das kleine Wesen entdeckt, dass sich unter einer Rhododendronhecke verkrochen hatte und in dem Dunkel des Blattwerks fast unsichtbar war. Urplötzlich war der Hund aus dem Gebüsch gesprungen und folgte ihr, während sie den Harvard Yard überquerte. Zuerst hatte sie versucht, ihn zu verscheuchen, während er auf unsicheren Beinchen hinter ihr her wackelte. Vor der Bibliothek war sie stehen geblieben, hatte ihm gesagt, er solle abdampfen, indem sie mit dem Finger zurück in Richtung Philosophiegebäude zeigte, doch er wedelte nur mit dem Schwanz, die rosa Zunge aus dem Maul hängend. Auf halbem Wege über den Yard blieb sie erneut stehen und sagte ihm, er solle zurück zu seinem Herrchen. Doch stattdessen war er ihr den ganzen Weg bis Saltonstall Court gefolgt und nach ihr durch die Tür getapst.
    In den ersten paar Wochen hatte sie rund um den Harvard Square Zettel mit der Aufschrift HUND ZUGELAUFEN aufgehängt, aber ohne Erfolg. Auch die Variante HUND IN GUTE HÄNDE ABZUGEBEN, blieb ergebnislos, bis Liz
sie schließlich davon überzeugt hatte, die Zettel wieder zu entfernen. »Er hat dich ausgesucht!«, beharrte sie, und Connie musste angesichts der ungenierten Sentimentalität ihrer Zimmergenossin schmunzeln. Liz gehörte zu den Frauen, die mittelalterliches Latein studieren, weil sie insgeheim ihre Zeit mit Träumereien von jener Epoche zubringen, in der tapfere Ritter gegen Drachen kämpften und vornehme Damen ihnen mit spitzen Hüten aus Kemenaten zuschauten und der höfischen Liebe huldigten. Liz’ Schwärmerei wusste Connie teils deshalb zu schätzen, weil sie selbst eine sentimentale Ader hatte, die sie jedoch oft unter einer schützenden Schicht Ironie und Zynismus verbarg. Ohne sich selbst einzugestehen, was sie da tat, hatte Connie irgendwann damit aufgehört, ein neues Zuhause für den kleinen Hund zu suchen.
    Was sie nie bemerkt hatte, nachdem Arlo in ihr Leben trat, war die Tatsache, dass ihre Albträume von dem sich vermehrenden Getier nicht mehr wiedergekehrt waren.
    Nun wandte sie sich von dem kochenden Wasserkessel ab, und ihr Blick fiel auf eine Notiz, die in Liz’ ordentlichen Druckbuchstaben an den Kühlschrank geklebt war. Grace hat um 18 Uhr angerufen, hieß es da. Du sollst zurückrufen, so bald wie möglich. Auch spät.
    »Schau dir das an«, sagte Connie zu Arlo und wies auf den Zettel. »Endlich hat sich dein Herrchen gemeldet.«
    Er legte den Kopf schief.
    »Ach, Mensch, wie kann ich so was Gemeines sagen?«, schimpfte sie sich schuldbewusst und bückte sich, um ihm über den Kopf zu streicheln. »Nein, natürlich nicht. War bloß meine Mutter.« Sie schaute auf die Uhr – zwanzig nach eins. Dann war es in New Mexico … zwanzig nach elf. Connie lächelte, erfreut darüber, dass ihre Mutter an ihre Prüfung gedacht hatte. Natürlich hatte Connie sie mehrfach daran
erinnert, sowohl in ihren ansonsten eher nüchternen, ihrem Pflichtgefühl geschuldeten Briefen als auch auf dem Anrufbeantworter ihrer Mutter. Doch wenigstens diesmal hatten ihre Gedächtnisstützen geholfen.
    Connie goss das kochende Wasser in einen angeschlagenen Henkelbecher, ließ einen Beutel Pfefferminztee hineingleiten und begab sich in das Arbeitszimmer. Sie zog an der Kette der Bogenlampe neben ihrem Lesesessel, einem mit Chintz bezogenen Ungetüm, das sie in Cambridge auf dem Sperrmüll gefunden hatte.
    Das Zimmer war ebenso spartanisch eingerichtet wie unaufgeräumt und bot genug Platz für zwei fleißige Studentinnen. An der einen Wand stand der Kamin, flankiert von Eichenbücherregalen, die unter Taschenbüchern und Lehrbüchern fast zusammenbrachen. Neben dem Kamin lag ein Futon, ein Überbleibsel aus Liz’ Leben am College, gegenüber davon stand ein Tisch, der so positioniert war, dass man die Füße darauf ablegen konnte, wenn man es sich auf dem Futon bequem gemacht hatte. Zwei zur Einrichtung gehörende Schreibtische standen zu beiden Seiten des Bücherregals an der Wand, der von Connie mustergültig aufgeräumt, der von Liz hingegen ein einziges Papierchaos. Die vierte Wand wurde von mehreren hohen Bleiglasfenstern eingenommen, vor denen ein bescheidenes Wäldchen aus Topfpflanzen und Küchenkräutern gehegt und gepflegt wurde – Connies Zimmergarten. Gleich bei den Pflanzen standen ihre Lampe und der Lesesessel, unter dem sie in genau diesem Moment das Hinterteil von Arlo verschwinden sah.
    Connie zog die Knie bis zur Brust hoch und balancierte

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