Das Hexenbuch von Salem
gemütlich machte.
Schließlich ging die Tür auf, und der wuchtige Körper einer Frau wälzte sich durch die Tür.
»Seid gegrüßt, Livvy Dane«, dröhnte die Frau, die einen breiten Strohhut über ihrer geknoteten Haube trug. Sie ging mit geschmeidigen Schritten zum Tisch hinüber und legte ein in Stoff gewickeltes Päckchen neben Mercys Korb mit den Erbsen. Deliverance drehte sich vom Herd um und lächelte der Frau zu.
»Und Ihr auch, Sarah.« Mercy spürte, wie sich der Zeigefinger
ihrer Mutter in die Stelle zwischen ihren Schulterblättern bohrte.
»Seid gegrüßt, Gevatterin Bartlett«, piepste das kleine Mädchen. Mercy hatte sich gegenüber Sarah Bartlett immer ein wenig unbehaglich gefühlt, obwohl sie wusste, dass es eine gute und freundliche Frau war. Angesichts ihres üppigen Körperbaus fühlte sich Mercy sehr klein. Die Frau lächelte auf sie herunter und tätschelte ihr den Kopf.
»Mögt Ihr etwas Apfelwein?«, fragte Deliverance und bot der Frau einen irdenen Krug an. Ihr Gast ließ seine gewaltige Körperfülle auf einer schmalen Bank an dem breiten Arbeitstisch nieder.
Sarah winkte ab. »Macht Euch keine Umstände«, sagte sie und nahm die Nadeln aus ihrem Hut. »Aber ich danke Euch.«
»Wie geht es denn Eurem Kalb?«, fragte Deliverance. »Habt Ihr sein Wasser mitgebracht?«
»Ach«, sagte Sarah und griff in ihre Tasche, die sie sich um die Leibesmitte geschnallt hatte. »Hab ich. Aber er nimmt einfach die Zitze nicht, der störrische kleine Kerl. Gevatter Bartlett fürchtet, dass wir ihn verlieren werden. Doch er hat noch viel Kraft.« Sie zog eine kleine, verstöpselte Flasche voll gelber, klarer Flüssigkeit aus der Tasche und stellte sie auf den Tisch. Deliverance nahm die Flasche und hielt sie ins Licht des schmalen Sonnenstrahls, der durch eines der Fenster hereinschien. Sie drehte das Fläschchen nach rechts und links, die Brauen zusammengezogen. Die Flasche funkelte im Sonnenlicht.
»Schau mal, Mercy«, sagte Sarah, während Deliverance ans Fenster trat. »Was denkst du wohl, was ich deiner Mutter mitgebracht habe?«
Das kleine Mädchen zuckte mit den Schultern. Sarah wickelte das Päckchen auf dem Tisch aus und hob an einer
Seite den Deckel etwas hoch, damit sie hineinspähen konnte.
»Blaubeeren!«, rief Mercy, klatschte in die Hände und wand sich vor Vergnügen auf ihrem Stuhl. Manchmal, wenn sie mit dem Hund umherstreifte, fand sie in dem Gestrüpp am Haus Blaubeeren, aber gewöhnlich hatten die Krähen bereits alles verschnabuliert. Nun dauerte es sie um ihre anfängliche Vorsicht, und sie beschloss, dass Sarah Bartlett eine der nettesten Frauen in der Stadt sein musste, auch wenn sie etwas lauter war als die meisten.
Deliverance stellte die Flasche mit Kälberurin auf den Tisch zurück und lächelte ihrer Tochter zu. »Ach, Sarah. Blaubeeren liebt sie über alles. Danke sehr. Und für Euer Kälbchen«, fügte sie hinzu, »versuchen wir es mit einer anderen Medizin.«
Sie zog ein großes, schweres Buch vom untersten Regalbrett des Schrankes und legte es offen vor sich auf den Tisch. Gestützt auf einen ihrer schlanken Arme, blätterte sie in dem dicken Band, fuhr mit dem Finger jede Seite entlang und las schweigend.
»Mein Sohn hat sie gepflückt«, sagte Sarah. »Er grüßt Euch, und auch Nathaniel.« In dem Raum wurde es wieder still, während Deliverance immer noch das Buch durchforstete. Mercy trat mit den Fersen gegen die Beine ihres Stuhls und pulte noch ein paar Erbsen. Sarah ließ ihren Blick im Saal umherschweifen und rang nach Worten.
»Schlimm, diese ganze Petford-Geschichte«, machte Sarah einen Vorstoß. Mercy sah, wie sich der Rücken ihrer Mutter einen Moment lang versteifte, und als sie sich wieder dem Tisch zuwandte, hatte sich eine dunkle Wolke in den blauen Augen ihrer Mutter niedergelassen. »Gevatter Bartlett hält von den meisten Geschworenen sowieso nichts. Und Mary Oliver, na ja «, schnaubte sie verächtlich, um damit anzudeuten,
wie wenig man von den Mary Olivers dieser Welt zu erwarten hatte. »Und dieser Peter Petford, der ist so vergrämt und verbittert.« Sarah winkte mit einem ihrer dicken Finger, um zu zeigen, wie ernst sie es meinte.
Deliverance stand auf und verschränkte die Arme. »Er hat seine einzige Tochter verloren«, sagte sie leise. »Gottes Vorsehung bringt so manchen von uns ins Straucheln.« Sie ließ ein paar Metallnadeln in die Glasflasche fallen, verschloss sie wieder und warf sie ins Herdfeuer. Dann begann sie, in den
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