Das Hexenbuch von Salem
Hämmern an der Tür war ihr aus dem Traum heraus gefolgt und bebte nun durch das Haus, rüttelte am Türriegel.
Connie setzte sich auf, mit zerzaustem Haar, und wischte sich mit einem Unterarm über die Augen. Arlo rollte sich mit einem Gähnen auf die Seite, und seine Beine streckten sich nach dem warmen Platz im Bett aus, den sie gerade frei gemacht hatte.
»Was zum Teufel «, murmelte sie und schlurfte durch den Schlafraum unter den Schrägen des Dachbodens. Benommen stieg sie die Treppe hinab, stolperte auf fast jeder der schmalen Stufen. Mitten im Gähnen kratzte sie sich das Haar und machte die Haustür auf.
»Halt mal«, sagte die Stimme, und ein Styroporbecher Kaffee zum Mitnehmen wurde ihr in die Hand gedrückt. Da stand Sam, in Cargo-Shorts, Doc Martens und einem Black-Flag-T-Shirt, in den Händen eine Schachtel mit Donuts. »Langschläfer wie an der Uni, was?« Er grinste und schlüpfte an ihr vorbei in die Diele. Sein Arm streifte ihre Schulter und hinterließ einen sengend heißen Fleck auf der Haut unter ihrem T-Shirt.
Connie blinzelte.
»Aha, das Esszimmer!«, rief Sam, schlenderte in den ehemaligen »Saal« und stellte die Schachtel mit den Krapfen auf den Tisch. »Willst du einen Teller? Nein, du brauchst keinen Teller.«
»Sam, wie …«, hub sie zu fragen an.
»Halb zwölf«, sagte er und bot ihr einen Boston Cream mit Schokoladenguss an, der in eine Serviette gewickelt war.
»Wow! Wirklich?«, fragte sie und nahm das Schmalzgebäck entgegen.
»Trink ein bisschen was von dem Kaffee, dann fühlst du dich gleich besser«, versicherte er ihr.
»Aber wie hast du mich denn gef-«, hub sie erneut an.
»Null problemo. Ich hab einfach nach dem Haus gesucht,
das total überwuchert ist«, sagte er, nahm auf einem der Stühle mit den geschnitzten Lehnen Platz und legte grinsend einen Stiefel auf die Tischplatte. »Ist übrigens wirklich toll. Prima in Schuss.«
»Machst du Witze?«, fragte sie. »Es ist eine Bruchbude. Jedes Mal, wenn ich die Treppe hochsteige, habe ich Angst, es bricht endgültig zusammen.«
»Bestimmt nicht«, sagte er und schüttelte den Kopf.
»Schau mal.« Connie bohrte einen Fingernagel in einen der Holzbalken, die sich zwischen Esszimmer und Diele quer über die Decke zogen, und verklumpte Sägespäne regneten auf sie herab. »Fällt alles auseinander.« Sie ließ sich auf einem Stuhl am Esstisch nieder und schaute ihn dabei an.
Sam blickte auf und hob die Schulter. »Holzkäfer. In so einem alten Balken muss man mit so was rechnen. Kamen wahrscheinlich schon mit dem Holz rein, damals, als das Haus gebaut wurde. Etwa I700, sagtest du? Dann sind die locker schon zweihundert Jahre nicht mehr da. Sieht schlimm aus, aber innendrin ist so ein Balken wie Stahl.«
Er biss in einen Marmeladenkrapfen, der einen weißen Rand von Puderzucker rund um seinen Mund hinterließ.
»Als das Haus gebaut wurde«, fuhr er fort, »hat man grünes Holz für die Dübel genommen, mit denen die Pfosten und Balken zusammengehalten wurden, damit man den Dübel leicht in die Fuge bekam und er später aushärten konnte. Nein, das Einzige, was dieses Haus eines Tages umbringen könnte, wäre ein Bulldozer.« Sam grinste und wischte sich langsam mit dem Handrücken über den Puderzuckerrand an seinem Mund. »Geht doch nichts über gutes altes Hartholz«, sagte er und ließ sie dabei nicht aus den Augen.
Connie schluckte, ihre Ohren wurden rot, und sie musste rasch den Blick abwenden. Sie biss in ihren Donut, ohne Sam dabei anzuschauen.
»Es gibt Frauen, die das ziemlich abartig finden würden, weißt du«, sagte sie in diesem Moment und lutschte sich ein paar Schokoladenkrümel vom Daumen.
»Ja«, gab er zu. »Ich bin mit einigen von ihnen ausgegangen.« Während Sam noch kaute, tauchte Arlo unter dem Tisch auf und schnüffelte an seinem Bein. Sie aßen eine Weile schweigend, Connie schlürfte ihren Kaffee. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie in einem zerschlissenen karierten Pyjama vor Sam saß. Warum sich das intimer und peinlicher anfühlte, als mit ihm im Dunkeln in Unterwäsche zu schwimmen, konnte sie nicht sagen. Ihr nächtliches Schwimmen, so verschleiert es durch Dunkelheit und Nebel war, kam ihr fast so vor, als hätte sie es sich eingebildet. Sie hatten mehrere Stunden miteinander verbracht, hatte im Wasser geplanscht und getobt. Als sie müde vom Schwimmen waren, hatten sie sich nebeneinander auf die Plattform gelegt und hinauf in den Himmel geblickt, wo sich der Nebel gerade genug
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