Das Hexenkloster
wurden.
Und er sah den Schreibtisch. Breit und wuchtig stand der da. Was auf ihm lag, interessierte ihn nicht. Für Ike war einzig und allein die Frau wichtig, die er durch sein Erscheinen völlig überrascht hatte, und die ihn jetzt aus großen Augen anschaute.
Er ging auf den Schreibtisch zu. Er rechnete damit, dass die Frau anfangen würde zu schreien, aber Marnie Steel hatte sich perfekt in der Gewalt.
»Und so sieht man sich wieder«, flüsterte Ike Turner, als er vor dem Schreibtisch stehen blieb...
***
Mrs. Steel bewegte sich nicht. Sie hatte die Haltung einer Statue angenommen. Nur die Haut an der Stirn lag in Falten. So machte sie den Eindruck einer Person, die sah und abwartete und es sogar geschafft hatte, ein spöttisches Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. »Ja, so sieht man sich wieder, Ike Turner.«
»Überrascht?«
»Wie man es nimmt. In gewisser Hinsicht schon. Aber auch ärgerlich auf mich selbst. Ich hätte anders mit Ihnen umgehen sollen, da bin ich ehrlich.«
»Wie denn?«
»Nun ja, ich hätte dafür sorgen können, dass Sie den Weg zu mir nie mehr finden.«
»Verstehe«, flüsterte er. »Aber jetzt habe ich den Spieß umgedreht. Jetzt werden Sie tun, was ich will.«
»Meinen Sie?«
»Ja, wenn nicht, sind Sie tot. Ich werde schießen, verlassen Sie sich darauf.«
Marnie Steel lächelte. »Sie werden es kaum glauben, Mr. Turner, aber ich sehe das durchaus als ernste Angelegenheit an.«
»Also wissen wir beide ja Bescheid.«
»Das denke ich auch.«
Die Chefin der Anstalt saß. Deshalb war es leicht, auf ihren Oberkörper zu zielen. Und er brauchte auch kein besonderer Schütze zu sein, um sie zu treffen, dafür war die Entfernung einfach zu klein.
Angst zeigte die Steel nicht. Sie blieb im Gegenteil sehr gelassen, und so hörte sich auch ihre Frage an. »So, und was haben Sie jetzt vor?«
»Das wissen Sie doch.«
»Nein, Sie haben es mir nicht gesagt.«
»Ich will meine Frau zurück!«, flüsterte Ike scharf. »Und zwar gesund und ohne dass ihr ein Haar gekrümmt wurde. Ist das klar? Haben wir uns verstanden?«
»Sicher.«
»Wo ist Kelly?«
Marnie Steel blieb gelassen und hob lässig die Schultern. »Sehen Sie Ihre Frau hier irgendwo?«
Die Wut stieg in ihm hoch. Seine Waffe zuckte vor. Die Mündung schaute jetzt über den Rand des Schreibtisches hinweg. »Ich will wissen, wo sie ist, verdammt?«
Die Frau blieb sehr gelassen. Ihr Gesicht nahm einen fast arroganten Ausdruck an. »Gehen Sie nach Hause, Mr. Turner. Gehen Sie sofort. Vergessen Sie Ihre Frau, denn sie hat sich für einen anderen Weg entschieden. Das ist nun mal so.«
Ike glaubte, sich verhört zu haben. Was ihm da erzählt wurde, war ungeheuerlich. So etwas hätte er nie gedacht. Das war doch unmöglich. Da konnte er wirklich nur den Kopf schütteln. Ihm so etwas zu sagen, war mehr als abgebrüht.
»Für einen anderen Weg entschieden?«, wiederholte er schließlich.
»Ja, das hat sie.«
»Und wie soll der aussehen?«
Marnie Steel lächelte wieder so überheblich. »Das werde ich Ihnen nicht sagen. Sie würden es nicht verstehen, glauben Sie mir. Es ist zudem ein völlig neuer Weg. Lange hat es gedauert, bis sie auf den Trichter gekommen ist, und ich gebe zu, dass wir nachhelfen mussten, aber jetzt ist sie so weit.«
»Wie weit?«
»Für ihr neues Dasein!«
Ike Turner fühlte sich, als hätte man ihm einige Male mitten ins Gesicht geschlagen. Seine Frau, die er verdammt gut kannte, sollte sich für einen anderen Weg, für ein neues Leben entschieden haben?
Wäre seine Kehle nicht wie zugepresst gewesen, hätte er tatsächlich gelacht. So war nur ein würgendes Geräusch zu hören. Am liebsten hätte er dieser kalten und widerlichen Person auf der anderen Seite des Schreibtischs den Gewehrlauf quer über das Gesicht geschlagen, aber er ließ es bleiben und riss sich zusammen.
»Was ist das für ein neues Leben?«, fragte er flüsternd.
Marnie Steel winkte lässig ab. »Das will ich Ihnen sagen. Es ist ein Leben unter Frauen.«
»Ach ja?«
Sie nickte. »Ja, ein neues Dasein, in das sie andere Frauen begleiten. Zu neuen Ufern, zu neuen Zielen. Ich kann Ihnen versprechen, dass sie nie wieder zu Ihnen nach Hause zurückkehrt. Jedenfalls nicht so, wie Sie Ihre Frau kennen.«
»Und wohin geht sie stattdessen?«
Marnie hob lässig die Schultern. »Sie bleibt eben hier. Das ist alles.«
»Im Knast? Im Kloster? Wird eine halbe Nonne oder wie?«
»Nein, sie geht zu den anderen Frauen. Sie wird eine von uns
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