Das Hexenkreuz
vornehmlich afrikanischer Sklaven, die in Übersee gekauft
werden. Wir gehen davon aus, dass die mächtigen Mitglieder des Zirkels eine
Abmachung mit dem damaligen Großinquisitor getroffen haben: Ganganelli lässt
sie in Frieden, solange sie keine Orgien mehr in Rom feiern und sich an
römischen Kindern vergreifen. Im Gegenzug würden sie ihn ins Amt heben. Nun,
heute ist Ganganelli Papst!“
Emilia
schüttelte heftig den Kopf. Die furchtbaren Anschuldigungen erschütterten sie.
In welche verhängnisvolle Angelegenheit hatte sich ihr Bruder von seinem
älteren Freund nur hineinziehen lassen? Das gemeine Haupt der Furcht hob sich, kroch
aus dem Schatten und grub seine Zähne in ihr Fleisch. Sie musste die beiden
unbedingt davon abbringen, weitere Nachforschungen anzustellen: „Ihr beide
erhebt sehr schwere Vorwürfe gegen den Papst. Aber sind die Jesuiten nicht der
einzige Orden, der ihm mit einem speziellen Gehorsamsgelübde verbunden ist?
Wenn ich euch richtig verstanden habe, besitzt ihr keine echten Beweise, die
den heutigen Papst mit diesem geheimen Zirkel in Verbindung bringen. Die
Besuche der Herzoginmutter beweisen gar nichts. Darüber hinaus gibt es auch
keinen Beweis, dass Papst Clemens XIII. ermordet wurde, ihr vermutet es nur.
Euer Orden mag viele Feinde haben, aber das ist das Nebenprodukt der Macht. Eure
ganzen Nachforschungen führen zu nichts. Ich kann nicht erkennen, was ihr damit
erreichen könnt, außer, euer Leben dabei zu verlieren!“ Emilia hielt inne. Sie
konnte nicht länger darüber hinwegsehen, dass Emanuele ihr Plädoyer mit zunehmender
Enttäuschung aufnahm. Francescos Miene hingegen wirkte undurchdringlich wie
eine Maske.
„Sieh mich
nicht an, als würde ich Verrat an dir begehen.“ Emilia fixierte ihren Bruder.
„Allein bei dem Gedanken, dass eure Anschuldigungen wahr sind, wird mir übel.
Doch was soll am Ende dabei herauskommen, selbst wenn ihr Recht behaltet? Wer
würde euch zuhören? Vielleicht euer Pater General Ricci, der vollauf damit
beschäftigt scheint, den Fortbestand seines Ordens zu sichern? Nehmt doch
Vernunft an. Bitte Emanuele, lass davon ab, so hehr deine Motive auch sein
mögen. Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren.“
„Ich finde,
Emilia hat Recht. Ihr solltet auf sie hören!“, ließ sich unvermittelt eine
klare Frauenstimme vernehmen. Alle Anwesenden fuhren herum. Im Türrahmen waren
die Umrisse einer hochgewachsenen Frau erkennbar. Sie trug einen dunklen
Reiseumhang und schlug die Kapuze zurück.
Alles Blut strömte
aus Serafinas Gesicht. „Mutter…“, hauchte sie.
„Ja, ich bin
es, meine Tochter. Du tust gut daran, zu erbleichen. Aber zu uns beiden
später.“
„Donna
Elvira. Da seid Ihr endlich“, begrüßte Francesco sie ehrerbietig. Er ging ihr
entgegen und führte sie unter den perplexen Blicken Emilias und Serafinas zur Tafel.
Beide Freundinnen dachten das gleiche: Woher kannte Francesco Colonna Serafinas
Mutter?
“Wir hatten
Euch nicht vor morgen früh zurückerwartet. Bitte setzt Euch. Wünscht Ihr noch
etwas zu speisen?“ Er nahm ihr den Umhang ab und rückte ihr den Sessel zurecht.
„Nein,
Danke. Nur etwas Wasser, bitte.“ Francesco schenkte ihr persönlich aus dem
schweren Krug ein.
„Mit Donna
Elvira, liebe Schwester, hast du die Antwort darauf, woher ich wusste, dass du
nach Rom unterwegs bist“, erklärte Emanuele und lächelte. „Donna Elvira hat
geahnt, dass ihr beiden hier auftauchen würdet. Sie hat sich auf ein Pferd geschwungen
und ist mit gestreckten Zügeln nach Rom gejagt. Sie kam vor über einer Woche
hier an. Ihr beiden habt mehr als doppelt so lange benötigt und uns damit in
gehörigen Schrecken versetzt. Jeden Tag hofften wir aufs Neue auf eure Ankunft.
Wir malten uns die furchtbarsten Dinge aus, die zwei allein reisenden, jungen
Frauen zustoßen konnten.“
„Auch wenn
Serafinas Mutter unser Erscheinen angekündigt hat“, meinte Emilia, die sich
inzwischen wieder gesammelt hatte, „erklärt das nicht, warum du dich zu unserem
Empfang in einem Torbogen verschanzt hast. Bist du etwa schon weit mehr in
diese gefährlichen Nachforschungen verstrickt, als du zugeben willst?“
„Nein, hab
keine Furcht. Der Grund ist ein völlig anderer: Ich konnte es nicht riskieren,
mit dir gesehen werden.“
„Aber
warum?“, wunderte sich Emilia.
„Weil der
Herzog von Pescara etwa zur gleichen Zeit der Ankunft von Donna Elvira seine
Männer in die Stadt geschickt hat. Sie hat mich darauf hingewiesen.
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