Das Hexenkreuz
gewonnen
hatten. Selbst mit erstklassigen Rennern waren die Entführer nicht mehr einzuholen.
Das Schicksal der jungen Contessa schien besiegelt.
Die
unterschiedlichsten Gefühle wogten über den jungen Colonna hinweg. Verwirrt
fragte er sich, wie man Wut, Bedauern und Erleichterung gleichzeitig empfinden
konnte. Doch genauso erging es ihm.
„Mein Gott,
was ist geschehen?“ Emanuele stand plötzlich auf der Schwelle. Entsetzt erfasste
er die gespenstische Szenerie: Zwei gesunde junge Frauen, die er am Morgen beim
Frühstück zurückgelassen hatte, lagen zusammengesunken auf dem Tisch. Serafina
schnarchte leise.
Emanuele
konnte die Antwort im Gesicht seines Freundes ablesen. „Jesus, nein, bitte
nicht… Emilia“, flüsterte er und schwankte gefährlich auf den Beinen.
Francesco
legte ihm die Hand auf die Schulter. „Hab Mut, mein Freund. Dies ist nicht das
Ende. Wir holen sie zurück.“ Er wunderte sich über sich selbst, da er kaum
vorgehabt hatte, dies zu sagen. Doch die Worte waren ihm völlig natürlich über
die Lippen gekommen. Es war genau das, was er tun würde: Seinem Freund helfen, die
Schwester aus den Klauen dieser gottlosen Frau zu retten.
Emanuele
gewann die Fassung zurück: „Eines verstehe ich nicht. Wie konnten diese Leute
nur so schnell zuschlagen? Emilia war doch eben erst eingetroffen… Haben wir
nicht alle erdenkliche Vorsicht walten lassen?“
„Es ist
unsere eigene Schuld“, entgegnete ihm der junge Colonna grimmig und schlug sich
mit der geballten Faust in die Hand. „Erneut haben wir die Herzoginmutter
unterschätzt. Im Grunde war es ein Leichtes für sie herauszufinden, dass wir
gute Freunde sind. Ich bin überzeugt, sie hat nicht nur dich beschatten lassen,
sondern auch den Palazzo Colonna. Sie wird sich ausgerechnet haben, dass du
deine Schwester kaum im Jesuitenbezirk verstecken kannst. Daher kam nur eine
Herberge oder das Heim eines Verbündeten in Frage. Wir haben ihr deine
Schwester direkt in die Hände gespielt.“ Wütend lief er auf und ab. „Wenn nur
Donna Elvira bald eintrifft. Solange ich nicht weiß, wie es um Vittoria und
Emilias Freundin steht, möchte ich nicht aufbrechen.“
„Du willst
noch heute aufbrechen?“, stammelte Emanuele.
„Selbstverständlich.
Sie werden die Hochzeit so bald wie möglich stattfinden lassen. Danach wird es zu
spät sein. Hat der Herzog deine Schwester erst vor Gott zu seiner Frau gemacht
und die Ehe vollzogen, gibt es nichts, was wir noch ausrichten könnten. Das
Gesetz ist dann auf seiner Seite.“
Emanuele sah
seinen Freund an. Zum ersten Mal nahm Francesco bewusst die Ähnlichkeit der beiden
Geschwister wahr. Die Farbe ihrer Augen leuchtete im selben, intensiven Blau.
Es gab ihm einen Stich. Er räusperte sich und meinte heiser: „Komm, mein Bruder,
und lass uns keine Zeit vergeuden. Legen wir unsere Reisekleidung an. Donna
Elvira wird, so Gott will, bald eintreffen.“
So war es.
Nach einer raschen Untersuchung konnte Serafinas Mutter die ungeduldig
wartenden Freunde beruhigen. Vittoria und Serafina würden sicherlich noch
einige Stunden tief und fest schlafen und bei ihrem Erwachen an den schlimmsten
Kopfschmerzen leiden - darüber hinaus hatten sie jedoch keinen Schaden
gelitten.
Der junge
Colonna und Emilias Bruder verloren keine weitere Zeit. Sie stürzten hinaus zu
den Stallungen und sprangen auf die bereitstehenden Pferde. Der Majordomus Donatus
begleitete sie als Einziger. Er hatte darauf bestanden, mit ihnen zu reiten. Er
fühlte sich für das Geschehen mitverantwortlich, da die junge Freundin der
Principessa aus seiner Obhut entführt worden war.
Teil 2
Verlockung und Verdammnis
- Der Herzog und seine Mutter -
VI
Barfuß tanzte Emilia über eine Sommerwiese. Bunte
Schmetterlinge taumelten zwischen den Blumen umher und die Luft war erfüllt vom
Summen der Bienen, die in den Kelchen badeten. Soweit das Auge reichte, umgaben
sie sanfte Hügel und satte Weiden, auf denen Pferd und Schaf friedlich nebeneinander
grasten. Über allem wölbte sich ein tiefblauer Horizont. Glücklich breitete
Emilia ihre Arme aus und füllte ihre Lungen mit dem verheißungsvollen Geschmack
der Freiheit. Doch unvermittelt spürte sie, dass Gefahr drohte. Dunkle Wolken zogen
herauf und schickten sich an, das Himmelsblau Stück für Stück zu verschlingen. Emilia
begann zu laufen. Die Wolken folgten ihr, holten sie ein und senkten sich wie
schwarzer Nebel auf sie herab. Voller Entsetzen
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