Das Hiroshima-Tor
aussah. Offensichtlich musste man kein Genie in Sachen Stil sein, um einen IQ von
185 zu haben.
»Nach dem, was du mir von den Chinesen erzählt hast, verfügen sie immerhin über zeitgemäße Technik«, nörgelte Perry weiter.
»Was ja auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass ihr Land, das sich noch vor ein paar Jahren darauf konzentriert hat,
Spielzeugeisenbahnen aus Polypropen zu pressen, in Schanghai die weltweit erste
Maglev-
Magnetschnellbahn in Betrieb genommen hat ...«
Um seinen Groll zu dämpfen, schob Novak sich eine Kautablette |74| in den Mund. Er hielt nicht viel von China. Zwar hatte er nichts gegen die Marktwirtschaft, aber es gefiel ihm nicht, dass
sich internationale Konzerne mit einem autoritären Staat verbündeten, der die Menschenrechte mit Füßen trat. Der totalitäre
Parteistaat schreckte nicht davor zurück, seine eigenen Bürger zu töten, nur um die Demokratie fernzuhalten. Die Regierung,
in der Praxis die kommunistische Partei, setzte ihre uneingeschränkte Macht ein, weil es notwendig war: Von den 1,3 Milliarden Einwohnern waren nämlich 900 Millionen bettelarme Landarbeiter, die nur mit der Macht des Terrors in Schach gehalten werden konnten.
In Novaks Augen war China eine totale Missgeburt: gleichzeitig kommunistisch, kapitalistisch und feudalistisch. Die Partei
hatte das Volk als Sklaven an die Produktionsstätten westlicher Unternehmen verkauft, wo sie mit Zuckerbrot und Peitsche still
gehalten wurden: mit dem Gewaltapparat – und mit Handys, T V-Unterhaltung und Träumen vom eigenen Auto und einer eigenen Wohnung.
Novak fragte sich, was für ein Team Peking als Gegner für ihn und seine Leute wohl aufgestellt hatte. Wenn nötig, setzte die
chinesische Auslandsaufklärung Mitarbeiter westlicher Herkunft ein. Oder wurde diese Operation von einer Sondereinheit des
Militärgeheimdienstes oder der Wissenschafts-, Technologie- und Raumfahrtbehörde durchgeführt?
»Fahr geradeaus bis ans Ende und dann nach links«, sagte Novak zum Fahrer, der ein Jahr zuvor von der britischen Eliteeinheit
SAS, die im Ruf stand, besonders hart zu sein, zur Mil-Corp-Abteilung in London gekommen war. Der vierte Mann im Wagen war
der Amerikaner Colin Baumgarten, ein auf Verhöre spezialisierter Psychiater, der für MilCorp arbeitete. Er hatte sich bei
schweren Verhören von 9 / 1 1-Terrorverdächtigen in Guantánamo seine Lorbeeren verdient.
Die Männer waren wachsam und erwartungsvoll. Vier weitere Teams überprüften sicherheitshalber vier andere Vaucher-Langstons
an verschiedenen Stellen der Welt, obwohl aller Wahrscheinlichkeit |75| nach der Professor aus Cambridge die Person war, deren Name auf der KG B-Diskette genannt wurde.
Die Operation weitete sich fortwährend aus. Kein Wunder, dass man sich im MilCorp-Hauptquartier in Virginia Sorgen um die
wachsenden Kosten machte. Natürlich würden sie jedes Pfund und jeden Euro von ihrem Kunden zurückbekommen, also letzten Endes
vom amerikanischen Steuerzahler, aber die Buchhaltung der Firma mochte es nicht, wenn zu viel vorgeschossen werden musste.
»Fangen wir mit dem Verhör schon im Auto an oder erst in London?«, fragte Baumgarten, der sich über sein schweißnasses rundes
Kinn wischte. Der übergewichtige Psychiater schien unter der kurvenreichen Autofahrt zu leiden.
»Wir handeln zeitnah«, sagte Novak.
Baumgarten war das perfekte Gegenteil zu DARP A-Perry , nicht nur vom Körperbau, sondern auch vom Stil her. Er trug einen schwarzen Rollkragenpulli, ein schwarzes Sakko von Ralph
Lauren und schwarze Armani-Jeans. Und garantiert hatte er zu Hause in Richmond auch ein schwarzes BM W-Cabrio stehen. Die flache Patek-Philippe-Uhr, die an seinem Handgelenk schimmerte, hatte er sicher nicht einmal in den nach Blut,
Elektrizität und Angst riechenden Vernehmungszellen von Guantánamo abgelegt.
Novak hatte Baumgarten auf dem Flughafen Kandahar in Afghanistan kennen gelernt. In der Nacht hatte Novak einen Trupp Gefangene,
die im Verdacht standen, wichtige al-Qaida-Mitglieder zu sein, mit dem Helikopter nach Kandahar gebracht, wo sie von Militärpolizisten
in Gummihandschuhen übernommen wurden. Sie schnitten ihnen mit Scheren die Kleider auf und führten die Verdächtigen zur ärztlichen
Untersuchung. Anschließend gab man ihnen Gummisandalen und umhangartige Kleider, auf deren Rücken mit Filzstift der Nummerncode
des jeweiligen Gefangenen geschrieben stand.
Baumgarten war der erste
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