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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zweideutige SMS ein Hinweis darauf gewesen?
     Und vor allem, wie hatte Rautio von seinem Anruf bei Välimäki erfahren? Es gab genau zwei Möglichkeiten. Entweder Välimäki
     hatte Rautio aus irgendeinem Grund davon erzählt. Oder Välimäkis Telefon wurde abgehört.
    Timo zog sich rasch an. Das Spiel wurde härter, Rautio hatte eine unverhüllte Drohung ausgesprochen: Noch ein Solo, und wir
     sorgen dafür, dass du fliegst.
    Doch das Spiel war auch anderswo hart. Premierministerin Marjatta Lahdensuo war eine Machtpolitikerin mit dickem Fell, aber
     wäre sie tatsächlich in der Lage, etwas aus den KG B-Archiven durchsickern zu lassen, das die Wiederwahl der jetzigen Präsidentin verhindern würde? Etwas, worauf das Material auf der
     Seine-Diskette hinwies?
    Timo zog den Gürtel zu und stellte fest, dass er ein neues Loch in Gebrauch nehmen musste. Und zwar in der falschen Richtung.
    Die Sonntagmorgenatmosphäre – die Schritte seiner Mutter, die draußen auf der Treppe rauchte, der Geruch des alten Holzhauses,
     der durch die Nachtfeuchtigkeit noch verstärkt wurde, der Kaffeeduft aus der Küche – war genau die gleiche wie vor einem Vierteljahrhundert,
     wenn er aufgewacht war. Diese Kontinuität und Verankerung hätte er auch Aaro gewünscht.
    Timo trank Kaffee und wechselte ein paar Sätze mit seiner Mutter, bevor er sich auf den Weg nach Vantaa machte. Der feuchte
     bewölkte, dunkle Morgen schlief noch irgendwo im Hintergrund seiner Aufmerksamkeit.
    Was war in Olkiluoto diesmal passiert? Timo hatte zwar Verständnis für die Aktionen der militanten Atomkraftgegner, aber natürlich
     konnte er sie nicht akzeptieren. In der Atomenergie |80| verbarg sich eine so ungeheure Kraft, die die menschliche Vorstellungskraft bei weitem überstieg.
    Für das alltägliche, heutige Verständnis waren die Dimensionen der Atomenergie einfach bestürzend. Er hatte das Missverhältnis
     der Maßstäbe in Berichten gelesen und mit eigenen Augen gesehen. Als Mitglied der Notfallplankommission war er um das Gelände
     des Atomkraftwerks Loviisa herumgegangen und hatte sich überlegt, was aus der Sicht von Terroristen die effektivste Methode
     wäre, in das Kraftwerk einzudringen und Tausenden von Menschen zu schaden. Er hatte mögliche Wege für das Einschleusen von
     Sprengstoff, Geiselnahmen und Selbstmordattentate im Kopf gehabt, als er auf ein Schild am Maschendrahtzaun stieß. Darauf
     hatte auf Finnisch und Englisch gestanden: UNBEFUGTEN IST DAS BETRETEN DES GELÄNDES UNTER ANDROHUNG EINES BUSSGELDES UNTERSAGT. Er hatte nicht gewusst, ob er lachen oder weinen sollte, als er das gelesen hatte.
    Ebenso absurd war es ihm vorgekommen, als die Kommission um eine Stellungnahme zu Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit der
     Endlagerung von abgebrannten Kernbrennstäben in Olkiluoto gebeten wurde. Der Atommüll würde Hunderttausende von Jahren lebensgefährlich
     radioaktiv bleiben, also hätte man die Perspektive Tausender künftiger Generationen berücksichtigen müssen. Timo betrachtete
     sich nicht gerade als Grünen, aber auch er begriff, dass die Menschheit noch nie zuvor einem vergleichbaren kollektiven ethischen
     Problem gegenübergestanden hatte. Sie würden ihren Nachkommen etwas hinterlassen, das im schlimmsten Fall noch hundert oder
     tausend Generationen später die Umwelt unbewohnbar machte. In den Unterlagen der Firma, die das Endlager baute, war die Perspektive
     freilich eine andere:
»Während des Betriebs beschäftigt die Endlagerstätte weit über 100   Personen und bringt der Gemeinde jährlich 200   000   –   500   000   Euro Einkommenssteuer sowie 2   Millionen Euro Grundsteuer ein.«
    Im Kriminallabor der KRP wurde Timo von Blomberg und drei weiteren Ermittlern erwartet.
    |81| »Das wird allmählich unangenehm«, sagte Blomberg – ein braun gebrannter Mann mit Eichhörnchenzähnen, hinter dessen sympathischer
     Erscheinung sich ein eisenharter Perfektionist verbarg. »Sie haben mitgeteilt, dass sie im Guss für die Probegrabung einen
     Gegenstand versteckt haben. Den würde man finden, indem man eine bestimmte Handynummer wählt. Und dann   ... verdammte Scheiße   ... haben wir im Beton das hier gefunden.«
    Auf einem grauen Stück Pappe auf dem Tisch lag ein Stück einer Eisenstange, an dem noch etwas Beton hing. Aus dem Loch des
     Rohrs ragte die Antenne eines Telefons.
    »Da müssen Leute aus dem Ausland dabei sein«, sagte Blomberg. »Wann fliegst du nach Brüssel?«
    »Ich denke mit der

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