Das höllische Ich
wartete auf den Rückruf. Nach etwa einer Minute meldete sich der Apparat.
»Ich bin es wieder, Mrs. Prentiss«, meldete sich Julia Miller. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich so misstrauisch geworden bin. In diesen Zeiten ist alles möglich.«
»Wem sagen Sie das.«
»Um was geht es genau.«
»Um den Namen Ganzaro«, erklärte die Staatsanwältin. »Es kann sein, dass sich dieses Ehepaar auf einem Ihrer Schiffe befindet, die in der Karibik kreuzen. Könnten Sie das herausfinden?«
»Oh, das wird nicht leicht sein.«
»Ich weiß. Aber mir ist auch bekannt, dass alle Namen aufgelistet werden müssen.«
»Ja, schon gut. Nur kann das dauern.«
Purdy lächelte den Hörer an. »Ich habe Zeit und kann warten.«
Nach dieser Antwort legte sie auf und hoffte, dass sie nicht zu lange auf den Rückruf warten musste. Es war im Prinzip eine fixe Idee gewesen, nicht mehr, und doch hatte sie das Gefühl überkommen, gar nicht mal so falsch zu liegen. Eine innere Stimme meldete sich, dass sie auf der richtigen Fährte war. Lou Ganzaro war zwar gestorben, doch sie rechnete mit einem bestimmten Hintergrund. Das hatten sie die Jahre des Berufslebens gelehrt.
Der Rückruf erfolgte schneller, als sie ihn erwartet hatte. Als sie abhob, hörte sie zuerst ein heftiges Atmen, und dann die Stimme von Julia Miller, die anders klang als noch vorhin.
»Ich hatte es mir fast gedacht, Mrs. Prentiss, aber ich bin mir nicht ganz sicher gewesen«, begann die Organisatorin von Caribic Dream.
»Was haben Sie sich gedacht?«, fragte die Staatsanwältin mit ruhiger Stimme.
»Ich bin über den Namen Ganzaro gestolpert. Er hätte mit schon zuvor auffallen sollen.« Ein schneller Atemzug. »Das Ehepaar Ganzaro hat die Reise nicht angetreten.«
»Ach...«
»Ja, ich erinnere mich jetzt. Im letzten Moment wurde storniert.«
»Kennen Sie den Grund?«, erkundigte sich die Staatsanwältin.
»Nein, Mrs. Prentiss. Das hat uns auch nicht zu interessieren. Das ist reine Privatsache, denke ich.«
»Ja, schon...«
»Sind Sie mit dieser Auskunft zufrieden, oder kann ich Ihnen noch weiterhelfen?«, erkundigte sich Julia Miller.
»Nur eine Kleinigkeit. Wenn Sie die Anschrift der Ganzaro’s zufällig parat hätten...«
»Habe ich.«
»Das ist sehr gut.« Purdy Prentiss bekam sie durchgegeben. Notierte sie kurz und bedankte sich.
»Darf ich Sie noch etwas fragen, Mrs. Prentiss?«
»Gerne.«
»Wir haben ja öfter Stornierungen bei unseren Reisen.« Die Caribic Dream Angestellte holte etwas weiter aus. »Bisher hat sich nur noch nie eine Staatsanwältin darum gekümmert. Vermuten Sie ein Verbrechen oder...«
»Nein, das ist reine Routine. Und die Wahrheit dürfte ich Ihnen sowieso nicht sagen.«
»Man kann es ja mal versuchen.«
»Sie sagen es.«
Damit war das Gespräch beendet, und Purdy legte den Hörer mit einer sehr nachdenklichen Miene auf.
Das Gefühl hatte sie nicht getrogen. Hier war einiges faul, das spürte sie. Natürlich konnte jeder seine Reise stornieren. Meistens eine Folge von Krankheit, doch in diesem Fall konnte sie nicht so recht daran glauben. Das sagte ihr das Bauchgefühl. Sie hatte genau den richtigen Riecher gehabt, und dieser Spur wollte sie weiter folgen.
Die Adresse lag vor ihr. Die dazugehörige Telefonnummer war schnell herausgefunden. Die Staatsanwältin ging davon aus, dass ihre Kollegen die Eltern des Mörders informiert hatten. Wenn nicht, hätten sie in den Zeitungen von der Tat lesen müssen.
Sie rief an, doch es hob niemand ab.
Purdy legte den Hörer wieder auf und dachte nach. Über ihrer Nasenwurzel hatte sich eine steile Falte gebildet. Zehn Minuten ließ sie verstreichen und versuchte es dann mit einem erneuten Anruf.
Auch jetzt hatte sie Pech. Es war auch kein Anrufbeantworter eingeschaltet. So konnte sie keine Nachricht hinterlassen. Viele an ihrer Stelle hätten jetzt aufgegeben. Genau das tat die Staatsanwältin nicht. Sie war eine Frau, die sich an einem Fall festbeißen konnte. Genau das hatte sie hier getan.
Sie wollte sich selbst überzeugen, wie und wo die Ganzaros lebten. Ihr Wagen stand draußen. Sie hatte sich vor einem Monat einen dunkelgrauen BMW Z4 geleistet. Die Sitze waren mit dunkelrotem Leder bezogen.
Die vielen PS unter der Haube brachten ihr im dichten Verkehr nur wenig, doch sie musste nicht sehr weit fahren. Das Haus, in dem die Ganzaros lebten, glich einem kleinen Kolosseum. Es war rund gebaut worden und stand auf einer grünen Insel, um die tatsächlich der Verkehr
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