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Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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von Wäsche und Seife –, aber Krzeczotek faßte ihn ungewohnt resolut unter und gab ihm zu verstehen, daß sich alles Nötige finden würde; er tat dies in so warmen, herzlichen Worten, daß Stefan, der jetzt erst die großen Schmutzflecke auf seinem Mantel bemerkte, in ein befreiendes Lachen ausbrach, sämtliche Skrupel mit einer Handbewegung beiseite schob und mit dem Kollegen durch den Morast den am hellen Horizont sichtbaren drei Buckeln des Bierzyniecer Höhenzuges zustapfte.

RAUMKNOTEN
    V ON NIECZAWY schlängelte sich die aufgeweichte, lehmige Landstraße in Serpentinen zwölf Kilometer weit nach Bierzyniec. Als die beiden die höchste Erhebung überschritten hatten, mündete die Chaussee in einen tiefen Graben, der auf eine noch schmalere, aber ebenso morastige Straße führte. Hinter einer Baumgruppe tauchte unversehens ein sanfter Hügel auf, der von Süden her mit einer niedrigen Schonung bepflanzt war. Von oben grüßte ein grauschimmerndes Gebäudemassiv herunter, umgeben von einer Ziegelmauer. Über einen geschotterten Weg gelangte man zum Haupttor. Einige hundert Meter vor dem Ziel hielten sie an, um nach dem schnellen Marsch ein wenig zu verschnaufen. Von der Höhe schweifte Stefans Blick frei durch den weiten, leicht welligen Raum, wo im Schein der tiefstehenden Abendsonne hie und da Nebel dahinzogen. In der verschwommenen Farbe des Schnees war noch eine Spur der Tageswärme. Vor dem dunklen Tor erhob sich, die Eckpfeiler im Gebüsch verborgen, ein schartiger Steinbogen mit schwer lesbarer Aufschrift. Näher kommend, entzifferte Stefan die Worte: CHRISTO TRANSFIGURATO .
    Klirrend zertraten sie gefrorene Pfützen, die sich an schattigen Stellen gehalten hatten, und gelangten bald zum Eingang. Ein dicker, bärtiger Pförtner ließ sie passieren. Nunmehr entfaltete Krzeczotek eine fieberhafte, wenngleich gedämpfte Geschäftigkeit. Er wies Stefan an, unten in einem leeren Saal zu warten, und eilte zum Chefarzt. Stefan schritt die Steinfliesen auf und ab, gedankenlos in ein Wandgemälde vertieft, das teilweise von Putz überdeckt war; es schien eine Art blaßgoldene Aureole und, bereits bläulich übertüncht, einen zum Schrei oder zumSingen geöffneten Mund darzustellen. Als er Schritte hörte, wandte er sich um: Staszek kam unerwartet rasch zurück, bereits im weißen Kittel, der etwas zu lang und vom häufigen Waschen an den Ärmeln zerschlissen war; Staszek sah darin größer und magerer aus als sonst. Sein rundes Gesicht strahlte breit vor Zufriedenheit.
    »Also, ausgezeichnet, ich habe die Sache mit Pajpak ins reine gebracht«, sagte er und nahm Stefan am Arm. »Unser Chef, wie du weißt; eigentlich heißt er ja Pajączkowski, aber er stottert, und deshalb wird er hier so genannt – doch du wirst Hunger haben, stimmt’s? Na, das werden wir gleich machen.«
    Die Ärzte bewohnten ein eigenes, recht hübsches Haus, das hell und gemütlich aussah. Es war komfortabel eingerichtet. In dem kleinen Zimmer, das Staszek ihm zugewiesen hatte, fand Stefan fließendes warmes Wasser vor, ein gutes Bett, das durchaus nicht an Krankenhaus erinnerte, sowie maßvoll helle, wenngleich in der Linienführung ein wenig strenge Möbel und sogar drei Schneeglöckchen auf dem Tisch. Das wichtigste aber war, man spürte hier kein Jodoform oder andere Krankenhausgerüche. Während Staszek unentwegt schwatzte, drehte Stefan die Wasserhähne auf, besah sich das Bad, stellte probeweise die herrlich brausende Dusche an, schlenderte zurück ins Zimmer, trank den heißen Kaffee, schmierte etwas Salziges und Gelbes auf die Brötchen, verzehrte sie, und er tat das alles eigentlich nur aus Freundschaft, damit Staszek sich am Erfolg seiner Bemühungen freuen könne.
    »So, jetzt setz dich neben mich. Na, wie soll es nun werden?« fragte Staszek, als alles besichtigt und der Hunger gestillt war.
    »Womit?«
    »Na, überhaupt so, mit dir und der Welt.«
    »Du forderst mich also zur entscheidenden Diskussionheraus?« entgegnete Stefan, ohne ein Lächeln unterdrücken zu können.
    »Aber woher! Was heißt Diskussion! Die Welt – das sind jetzt die Deutschen. Jeder meint, die kriegen eins drauf, aber ich bin da nicht ganz sicher … leider. Es wird bereits von einem Wechsel in der Leitung des Krankenhauses gemunkelt – ein Pole könne angeblich nicht Direktor sein … Immerhin, das steht noch nicht fest. Und was dich anlangt, so wirst du dich zunächst mit allem der Reihe nach vertraut machen müssen. Dann kannst du dir in aller Ruhe

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