Das Hospital der Verklärung.
Körbe flechten und sie auf dem Jahrmarkt feilbieten.« Die Karriere eines Heiligenbildschnitzers oder Töpfers vom Dorfe, der rote und zuckrig glasierte Tonpfeifen brennt, erschien ihm als das höchste Glück. Ruhe. Einfachheit. Ein Baum würde für ihn ein Baum sein und nichts weiter.Kein idiotisches, zu nichts führendes, selbstquälerisches Sinnieren, warum, zum Teufel, denn alles wachse, was es zu bedeuten habe, daß man am Leben sei, wozu es Pflanzen gebe, warum einer er selbst sei und kein anderer, ob die Seele aus Atomen bestehe oder nicht – endlich Schluß damit! Stefan begann wütend das Zimmer zu durchmessen. Zum Glück kam Staszek. Stefan argwöhnte, Krzeczotek fühle sich in dem Spital so wohl wie ein Einäugiger unter Blinden. Er war ein sanfter Miniaturirrer und mußte sich daher auf dem malerischen Hintergrund ausgewachsenen und blühenden Wahnsinns psychisch ungemein normal ausnehmen.
»Gehen wir jetzt zu Abend essen …«
Der Speiseraum für Ärzte lag unter dem Dach neben einem großen Billardsaal und einem zweiten, kleineren Saal, in dem Spieltischchen standen. Stefan warf im Vorbeigehen einen Blick hinein.
Die Verpflegung war nicht übel: Nach den Zrazy mit Grütze und Bohnensalat wurden Krapfen gereicht. Kaffeekannen standen zum Selbsteinschenken auf dem Tisch.
»Es ist Krieg, Herr Kollege, à la guerre comme à la guerre«, sagte Stefans linker Nachbar – Staszek hatte er zur Rechten; so konnte er die Sitzenden gut beobachten. Wie immer, wenn er neue Gesichter vor sich hatte, war er nicht imstande, sie auseinanderzuhalten, er verwechselte sie, denn sie hatten für ihn noch keine Gefühlsintonation.
Dr. Dygier oder Rygier – er hatte sich so undeutlich vorgestellt –, der andächtig seinen Aphorismus über den Krieg zum besten gegeben hatte, war ein untersetzter, großnasiger Mann mit einer Narbe auf dem schwärzlichen Gesicht, die über dem Stirnbein eine beträchtliche Vertiefung bildete. Er trug einen kleinen, goldgefaßten Zwicker, der ständig herunterrutschte; mit einer unwillkürlichenBewegung rückte er ihn dauernd zurecht. Schließlich begann das Stefan zu reizen. Er unterhielt sich mit ihm widerwillig über Belanglosigkeiten, etwa ob der Winter schon vorüber sei, ob die Kohlen reichen würden, ob es hier viel Arbeit gebe oder wie es mit der Bezahlung stehe. Dr. Rygier – es war doch ein R gewesen – trank den Kaffee in winzigen Schlückchen, angelte sich die knusprigsten Krapfen heraus und antwortete näselnd mit mäßigem Interesse. Aus unerfindlichem Grunde hefteten beide während ihres Gesprächs die Blicke auf den Adjunkten Pajączkowski. Dieser alte Herr erinnerte mit seinem flaumigen, schütteren Bärtchen an eine halb gebratene Taube, denn unter den silbrigen Strähnchen schimmerte zartrosa die Haut. Es war ein Männchen mit zittrigen und runzligen Händen. Bisweilen stockte er ein wenig in der Rede, schlürfte laut den Kaffee und schüttelte manchmal verneinend den Kopf.
»Sie wollen also bei uns arbeiten, wie …?« sagte er zu Stefan und verneinte.
»Ja, das möchte ich.«
»Gewiß … ganz gewiß … es lohnt …«
»Man braucht ja Praxis … unbedingt … es wird bestimmt lohnen …«, murmelte Stefan; er konnte Greise, offizielle Empfänge und langweilige Gespräche nicht ausstehen, und hier hatte er alles auf einmal.
»Nun, wir werden Ihnen alles ganz genau … Was in unseren Kräften …«, versetzte Pajpak und verneinte immerfort.
Neben ihm saß ein großer, hagerer Arzt. Sein Kittel hatte Silbernitratflecke. Er war überaus häßlich, aber in einer recht sympathischen Weise, sein Gesicht, entstellt durch die Narben einer doppelseitigen Hasenscharte, fiel auf durch die flache Nase und den breiten Mund; er hatte ein knöchernes, gelbliches Lächeln. Als er eine Hand aufden Tisch legte, wunderte sich Stefan, wie groß und wohlgeformt sie war. Denn er hielt zweierlei für wichtig: den Zuschnitt des Nagels und das Verhältnis der Handlänge zu ihrer Breite. Bei Dr. Marglewski war das eine wie das andere rassig.
Beim Eintreten hatte Stefan gleich bemerkt, daß auch eine Frau am Tisch saß. Er hatte sich allen Kollegen der Reihe nach vorgestellt, und dabei war ihm aufgefallen, wie kühl und passiv ihre schmale, nervige Hand war. Der Gedanke, daß sie einen liebkosen könnte, hatte etwas Abstoßendes und Erregendes zugleich.
Frau oder Fräulein Dr. Nosilewska hatte ein blasses Gesicht, gerahmt von üppigem, kastanienbraunem Haar, das im Licht honigfarben
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