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Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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beantwortete die Verbeugung mit einem leichten Nicken.
    Staszek wartete. Ein angedeutetes Lächeln umspielte seine Lippen, während er mit der Schuhspitze nach allen möglichen Stengeln in den Pfützen angelte.
    »Ich bin der Nagiel, Salomon Nagiel. Ich habe Ihrem Vater doch immer die Klempnerarbeiten gemacht.«
    Jetzt ging Stefan ein Licht auf. In der Tat hatte der Vater ein Faktotum gehabt, mit dem er sich zuweilen in der Werktstatt einschloß, um seine Modelle zu konstruieren.
    »Wissen Sie, was ich hier bin?« fuhr jener fort. »Ich bin, wenn der Herr Doktor gestatten, hier der oberste Engel.«
    Stefan wurde es unbehaglich. Nagiel trat ganz dicht an ihn heran und flüsterte heiß: »In einer Woche werde ich am großen Rat teilnehmen. Der Herrgott selbst wird dasein und David und alle Propheten, Erzengel und wer Sie wollen. Ich habe dort eine gewichtige Stimme, vielleicht brauchen Sie etwas, Herr Doktor? Sagen Sie es ruhig, ich erledige das.«
    »Nein, nein danke, ich brauche nichts.«
    Stefan ergriff Staszek am Arm und zerrte ihn heftig der nächsten Tür zu. Auf seinen Spaten gestützt, sah der Jude ihnen nach.
    »Für Laien ist ein Sanatorium Gott weiß was«, redete Krzeczotek daher, als sie in einen langen, gelbgekachelten Korridor einbogen. Hinter einem Treppenabsatz teilte sich der Weg. Links zweigte ein fensterloser, von vereinzelten Lämpchen erleuchteter Gang ab, wo man sich wie im Walde vorkam. In gleichen Abständen wechselten Dunkelheit und Helle. »Dabei sind die Symptome völlig stereotyp. Zwangsvorstellungen, Halluzinationen, in welcher Phase auch immer, ein motorischer Reiz, Dementia, Katatonie, Manie, und aus der Traum. Aber nun mach dich auf etwas gefaßt.« Mit diesen Worten blieb er vor einernormalen Tür mit Klinke stehen, über der eine Mattglasbirne glomm.
    Sie betraten ein Zimmer, das nicht groß, aber luftig war; an der Wand unberührt das Bett, ferner einige weiße Stühle und ein Tisch mit einem wohlgeordneten Stapel dicker Bände darauf. Am Boden lagen haufenweise zu Papierkugeln geknüllte Briefbogen. Ein Mann in einem violett und silbern gestreiften Pyjama saß dort und kehrte ihnen den Rücken zu. Als er sich umwandte und sein Gesicht sehen ließ, fiel Stefan eine Fotografie ein, die er einmal in einer Illustrierten gesehen hatte. Er war hochgewachsen und fast schön zu nennen, obwohl der Fettansatz unter der Haut die regelmäßigen, reinen Züge schon zu verwischen begann. Unter buschigen, graumelierten Brauen – auch die Schläfen waren graumeliert – leuchteten willensstarke Augen, die sicher und frisch zu schauen vermochten, wenngleich ihr Blick nun ein wenig träge geworden war durch die Leere. Ohne eigene Farbe, nahmen sie die der Umgebung an. Jetzt waren sie hell. Der Teint des Dichters, von dem langen Aufenthalt in geschlossenen Räumen verfeinert, war übermäßig durchsichtig, und unter den Augen hatte sich die Haut in kaum wahrnehmbaren Säckchen gelockert.
    »Ich möchte Ihnen Dr. Trzyniecki, meinen Kollegen, vorstellen. Er ist gekommen, um bei uns zu arbeiten. Ein vortrefflicher Diskussionspartner.«
    »Und wenn, dann nur ein universeller Dilettant«, warf Stefan ein, angenehm berührt von dem warmen, kurzen Händedruck Selukowskis. Sie setzten sich. Es mochte einen etwas sonderbaren Eindruck erwecken: zwei Männer in weißen Kitteln, aus deren Taschen indiskret Hörrohre und Hämmerchen hervorblickten, und ein älterer Herr in einem Phantasiepyjama. Anfangs sprachen sie über belanglose Dinge. Schließlich gab Selukowski das Stichwort.
    »Die Medizin mag kein übles Fenster in die Unendlichkeit sein. Manchmal bedaure ich, sie nicht systematisch studiert zu haben.«
    »Vor dir sitzt ein hervorragender Kenner der Psychopathologie, mußt du wissen«, wandte sich Krzeczotek an Stefan, dem auffiel, daß der Freund zurückhaltender und steifer war als sonst. Er gibt sich Mühe, dachte Stefan.
    Dann machte er die Bemerkung, bisher habe eigentlich keiner einen Roman über ihren Beruf geschrieben, der einen wirklichen Querschnitt durch das Milieu darstelle und ein wahrheitsgetreues Bild vermittle.
    »Das ist Sache der Kopisten«, erwiderte der Dichter mit geringschätzigem, wenngleich höflichem Lächeln. »Ein Spiegel auf der Landstraße? Was hat das noch mit Literatur zu tun? So aufgefaßt, lieber Herr Doktor, ist der Roman – entgegen der Ansicht Witkacys übrigens – zwar Kunst, aber eine Kunst des Spionierens.«
    »Ich meinte die Erscheinung in ihrer ganzen

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