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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gesagt, wir seien auf einer Party in der Nähe der Universität gewesen, bei Leuten, die Susie nicht kenne. Und konnte es einen besseren Beschützer für sie geben als ihren Bruder, einen Gewichtheber? Susie mochte Partys sowieso nicht; wenn sie als Bär hinging, konnte sie mit keinem reden, und wenn sie nicht als Bär hinging, schien keiner daran interessiert, mit ihr zu reden. Sie sah verärgert und mürrisch aus. »So wie ich das sehe, stehen wir bis zu den Knien in der Scheiße und müssen da im Eiltempo durch«, sagte Susie der Bär.
    »Genau«, sagte Vater. »Das ist typisch für einen Wendepunkt.«
    »Wir dürfen das auf keinen Fall vermasseln«, sagte Freud. »Ich glaube, ich habe nicht mehr viele Hotels in mir.« Das ist wohl auch gut so, dachte ich, bemüht, nicht dauernd Franny anzusehen. Wir waren alle in Franks Zimmer, dem Konferenzraum - als sei die Schneiderpuppe ein besänftigender Einfluß, ein stummer Schatten Mutters oder Eggs oder Iowa-Bobs; irgendwie sollte die Puppe Signale aussenden, und wir sollten diese Signale auffangen (meinte Frank).
    »Wieviel können wir für den Roman bekommen, Frank?« fragte Vater.
    »Es ist Lillys Buch«, sagte Franny. »Es ist nicht unser Buch.«
    »In gewisser Weise doch«, sagte Lilly.
    »Genau«, sagte Frank, »und wenn ich das Verlagsgeschäft richtig verstehe, hat sie's ohnehin nicht mehr in der Hand. Wir sind jetzt an dem Punkt, wo wir entweder übers Ohr gehauen werden oder mächtig absahnen.«
    »Es handelt nur vom Erwachsenwerden«, sagte Lilly. »Irgendwie überrascht es mich, daß sie Interesse haben.«
    »Sie haben nur für fünftausend Dollar Interesse, Lilly«, sagte Franny.
    »Wir brauchen fünfzehn- oder zwanzigtausend, um hier wegzukommen«, sagte Vater. »Wenn wir die Chance haben wollen, etwas damit anzufangen, wenn wir wieder daheim sind«, fügte er hinzu.
    »Vergiß nicht: für das Haus hier bekommen wir auch noch was«, sagte Freud, wie um sich zu verteidigen.
    »Aber nicht, wenn wir erst die verfickten Bombenwerfer auffliegen lassen«, sagte Susie der Bär.
    »Das gibt einen solchen Skandal«, sagte Frank, »daß sich kein Käufer mehr finden wird.«
    »Ich hab's euch gesagt: wir haben die Polizei auf dem Hals, wenn wir die auffliegen lassen«, sagte Freud. »Ihr kennt unsere Polizei mit ihren Gestapo-Methoden nicht. Die werden gleich behaupten, daß auch mit den Nutten und uns nicht alles in Ordnung sei.«
    »Also, da ist auch eine ganze Menge nicht in Ordnung«, sagte Franny. Wir konnten einander nicht ansehen; während Franny redete, blickte ich aus dem Fenster. Ich sah, wie der Alte Billig die Straße überquerte. Ich sah, wie sich Kreisch-Annie nach Hause schleppte.
    »Es ist unmöglich, sie nicht auffliegen zu lassen«, sagte Vater. »Wenn die wirklich glauben, daß sie die Oper in die Luft jagen können, dann kann man nicht mehr mit ihnen reden.«
    »Man konnte noch nie mit ihnen reden«, sagte Franny. »Wir haben immer nur zugehört.«
    »Die sind schon immer verrückt gewesen«, sagte ich zu Vater.
    »Weißt du das denn nicht, Daddy?« fragte ihn Lilly.
    Vater ließ den Kopf hängen. Er war vierundvierzig, und ein vornehmes Grau mischte sich in das dichte braune Haar um seine Ohren; er hatte noch nie Koteletten gehabt, und er ließ sich die Haare immer gleich schneiden: bis zur Mitte der Ohren, bis zur Mitte der Stirn, genau bis zum Nackenansatz; er ließ sie nie ausdünnen. Er trug Ponyfransen wie ein kleiner Junge, und seine Frisur saß so phantastisch, daß wir uns aus der Ferne manchmal täuschen ließen und glaubten, Vater trage einen Helm.
    »Tut mir leid, Kinder«, sagte Vater kopfschüttelnd. »Ich weiß, das ist nicht sehr angenehm, aber ich spüre, daß wir am Wendepunkt stehen.« Wie er so kopfschüttelnd vor uns stand, sah er wirklich verloren aus, und erst später, in meiner Erinnerung, saß auf Franks Bett in diesem Schneiderpuppenzimmer ein recht gutaussehender Mann, der das Kommando führte. Vater vermochte schon immer die Illusion hervorzurufen, er habe alles im Griff: Earl zum Beispiel. Er hatte sich nicht wie Iowa-Bob oder wie ich mit den Gewichten abgegeben, aber Vater hatte seine sportliche Figur bewahrt, und er hatte ganz gewiß seine Jungenhaftigkeit bewahrt - »zu viel von seiner verfickten Jungenhaftigkeit«, wie Franny es ausdrückte. Mir ging durch den Kopf, daß er einsam sein mußte; er hatte sich in den sieben Jahren nicht ein einziges Mal mit einer Frau verabredet! Und wenn er die Nutten benutzte, dann

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