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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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- vom ersten Mal?«
    »Wahrscheinlich stimmt das gar nicht«, sagte sie dumpf. »Wahrscheinlich ist das gar nichts Besonderes.«
    Dann muß sie versucht haben, auszureißen, denn ich hörte ein Handgemenge im Dunkeln, und Lenny Metz schrie: »Aufhören! Saukerl, du Sau!« Und dann kam wieder dieses Patschen - Fleisch gegen Fleisch -, und ich hörte Franny sagen: »Schon gut! Schon gut! Du Dreckskerl.«
    »Lenny und Chester werden dir helfen, mich zu dem Plätzchen zu führen, Franny«, sagte Chipper Dove. »Okay?«
    »Du Furz im Sturzflug«, sagte Franny zu ihm. »Du Rattenarsch«, sagte sie, doch dann hörte ich wieder Fleisch gegen Fleisch, und Franny sagte: »Okay! Okay.«
    Es war Harold Swallow, der in meinem Rücken kniete. Wenn mich das Netz nicht so eingeschnürt hätte, wäre ich ihm vielleicht gewachsen gewesen, aber ich konnte mich nicht rühren.
    »Wir holen dich dann, Harold«, rief Chipper Dove.
    »Nur Geduld, Harold!« sagte Chester Pulaski.
    »Du kommst auch noch zum Zug, Harold!« sagte Lenny Metz, und alle lachten.
    »Will keinen Zug«, sagte Harold Swallow. »Will keine Schwierigkeiten«, sagte er. Aber sie waren schon weg, nur Franny hörte man noch ein paarmal fluchen - doch jedesmal ein wenig weiter weg von mir.
    »Du kommst aber in Schwierigkeiten, Harold«, sagte ich. »Du weißt, was die mit ihr machen.«
    »Ich will es nicht wissen«, sagte er. »Ich komm nicht in Schwierigkeiten. Ich bin überhaupt bloß an dieser Scheißarsch-Schule, um rauszukommen aus den Schwierigkeiten.«
    »Jedenfalls steckst du jetzt in Schwierigkeiten, Harold«, sagte ich. »Die werden sie vergewaltigen, Harold.«
    »So was passiert schon mal«, sagte Harold Swallow. »Aber mir nicht.« Ich versuchte noch einmal, gegen ihn anzukämpfen unter dem Netz, aber er hatte keine Mühe, mich festzuhalten. »Und kämpfen mag ich auch nicht«, sagte er.
    »Die denken, du bist ein verrückter Nigger«, sagte ich zu ihm. »Das denken die. Drum sind sie jetzt bei ihr, und du bist hier, Harold. Aber das gibt die gleichen Schwierigkeiten«, sagte ich zu ihm. »Du steckst in den gleichen Schwierigkeiten wie sie.«
    »Die kommen nie in Schwierigkeiten«, sagte Harold. »Die verpfeift doch nie einer.«
    »Franny wird sie verpfeifen«, sagte ich, aber ich spürte den gezuckerten Mais, der gegen mein Gesicht und in den feuchten Boden gedrückt wurde. Es war wieder mal ein Halloween, an das man sich lange erinnern würde, keine Frage, und ich fühlte mich so schwach und klein wie eh und je - an jedem Halloween in Dairy, soweit ich zurückdenken konnte, in panischer Angst vor größeren, immer größeren Jungen, die mir den Kopf in meine Beutetüte stopften und rüttelten und schüttelten, so daß ich nur noch das Zellophan hörte, bis dann die Tüte platzte und mir um die Ohren flog.
    »Wie haben sie ausgesehen?« fragte uns Vater immer.
    Aber jedes Jahr sahen sie aus wie Gespenster, Gorillas, Gerippe, und manche natürlich noch schlimmer; sie waren alle vermummt an Halloween, und keiner wurde je erwischt. Auch die nicht, die Frank am größten Wohnheim oben an die Feuerleiter banden, wo er in die Hosen machte; nie haben sie die erwischt. Auch die Typen nicht, die drei Pfund kalte, nasse Spaghetti auf Franny und mich warfen und schrien: »Lebende Aale! Lauft um euer Leben!« Und wir wanden uns auf dem dunklen Gehweg, voller klebriger Spaghetti, und schlugen aufeinander ein und kreischten.
    »Die werden meine Schwester vergewaltigen, Harold!« sagte ich. »Du mußt ihr helfen.«
    »Ich kann keinem helfen«, sagte Harold.
    » Irgendwer kann helfen«, sagte ich. »Wir könnten loslaufen und jemand holen. Daß du laufen kannst, weiß ich, Harold.«
    »Schon«, sagte er. »Aber wer wird dir schon bei den Typen helfen?«
    Howard Tuck nicht, das wußte ich, und aus dem Aufheulen der Sirenen, das jetzt vom Schulgebäude und der Stadt her zu hören war, schloß ich, daß Vater das Funkgerät in dem Polizeiauto soweit begriffen hatte, daß er Hilfe herbeirufen konnte. Also war auch bei der örtlichen Behörde niemand mehr greifbar, der Franny helfen konnte. Ich fing an zu heulen, und Harold Swallow verlagerte sein Gewicht auf meiner Schulter.
    Eine Sekunde lang war es still zwischen den langen Atemzügen der Sirenen, und wir hörten Franny. Fleisch gegen Fleisch, dachte ich - aber es klang jetzt anders. Franny gab einen Ton von sich, der Harold Swallow plötzlich an jemanden denken ließ, der ihr möglicherweise helfen würde.
    »Junior Jones

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