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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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irgend so' n Arschficker lebensmüde ist«, sagte Junior Jones, »dann kann ich nachhelfen.« Weitere Schlösser wurden aufgesperrt; Harold Swallow und ich traten einen Schritt zurück: »Wer von euch will zuerst sterben?« sagte Junior Jones. Heiße Luft und Saxophontöne brodelten aus seinem Zimmer; hinter ihm brannte eine Kerze auf dem Schreibtisch, der - wie der Sarg eines Präsidenten - mit der amerikanischen Flagge drapiert war.
    »Wir brauchen deine Hilfe, Junior«, sagte Harold Swallow.
    »Das glaub ich auch!« sagte Junior Jones.
    »Sie haben meine Schwester«, sagte ich zu ihm. »Sie haben Franny«, sagte ich. »Und sie vergewaltigen sie.«
    Junior Jones packte mich unter den Armen und hob mich zu sich hoch und sah mir in die Augen; er drückte mich sanft gegen die Wand. Meine Füße waren bestimmt einen halben Meter über dem Boden; ich wehrte mich nicht.
    »Was sagst du da, Mann, vergewaltigen?« fragte er.
    »Ja doch, vergewaltigen, ja!« sagte Harold Swallow und umschwirrte uns wie eine Biene. »Sie vergewaltigen seine Schwester, Mann. Sie tun es wirklich.«
    »Deine Schwester?« fragte mich Junior und ließ mich an der Wand herunter zu Boden gleiten.
    »Meine Schwester Franny«, sagte ich, und einen Moment lang fürchtete ich, er würde wieder sagen: »Für mich ist sie einfach ein weißes Mädchen.« Aber er sagte gar nichts; er weinte - und sein großes Gesicht war so glänzend und naß wie der Schild eines Kriegers im Regen.
    »Bitte«, sagte ich zu ihm. »Wir müssen schnell machen.« Aber Junior Jones begann den Kopf zu schütteln, und seine Tränen bespritzten Harold Swallow und mich.
    »Wir schaffen es nicht mehr rechtzeitig«, sagte Junior. »Unmöglich schaffen wir das rechtzeitig.«
    »Die sind zu dritt«, sagte Harold Swallow. »Dreimal - das dauert seine Zeit.« Und ich fühlte mich hundeelend - ich fühlte mich von Halloween überwältigt, immer und immer wieder, mit einem Bauch voll Abfall und Plunder.
    »Und ich weiß, welche drei das sind, stimmt's?« sagte Junior Jones. Ich bemerkte, daß er sich anzog: ich hatte nicht bemerkt, daß er nackt gewesen war. Er zog eine graue ausgebeulte Trainingshose an, er zog seine hohen weißen Basketballstiefel über die riesigen nackten Füße. Er setzte eine Baseballmütze auf, mit dem Schirm nach hinten. Das war offenbar alles, was er tragen wollte, denn dann stand er im fünften Stock des Wohnheims auf dem Flur und ließ plötzlich einen Schrei los. »Schwarzer Arm des Gesetzes!« sagte er. Türen gingen auf. »Löwenjagd!« brüllte Jones. Die schwarzen Sportler, unter Quarantäne im obersten Stockwerk, spähten aus ihren Zimmern. »Macht euch fertig«, sagte Junior Jones.
    »Löwenjagd!« schrie Harold Swallow und flog den Gang auf und ab. »Macht euch fertig! Schwarzer Arm des Gesetzes!«
    Mir wurde auf einmal bewußt, daß ich nicht einen schwarzen Dairy-Schüler kannte, der kein Sportler war - natürlich nicht: unsere Scheißarsch-Schule würde sie erst gar nicht aufnehmen, wenn sie nicht irgendwie von Nutzen waren.
    »Was ist eine Löwenjagd?« fragte ich Junior Jones.
    »Deine Schwester ist ein gutes Mädchen«, sagte Jones.
    »Das weiß ich. Jedem seine eigene Schwester ist ein gutes Mädchen«, sagte er, und ich stimmte ihm natürlich zu, und Harold Swallow stieß mich an und sagte: »Da hast du's, Mann. Jedem seine Schwester ist ein gutes Mädchen.«
    Und wir stürmten die Treppen hinunter, erstaunlich leise, wenn man bedenkt, wie viele wir waren. Harold Swallow lief vorneweg und erwartete uns ungeduldig an jedem Treppenabsatz. Junior Jones war überraschend flink für seine Größe. Am Treppenabsatz zum zweiten Stock stießen wir auf zwei weiße Schüler, die von irgendwoher nach Hause kamen; sie sahen die schwarzen Sportler die Treppen herabkommen und retteten sich in den Flur ihres Stockwerks. »Scheiß-Löwenjagd!« riefen sie. »Der schwarze Arm des Gesetzes!«
    Nicht eine Tür ging auf; zwei Lichter erloschen. Und dann waren wir draußen in der Halloween-Nacht, unterwegs zum Wald und dem Versteck gleich neben dem Fußweg, das mir ein Leben lang in Erinnerung bleiben würde. Es gibt keinen Tag, an dem ich diese Farne nicht vor mir sehen würde, wo Franny und ich erstmals und für immer allein waren.
    »Franny!« rief ich laut, doch es kam keine Antwort. Ich führte Jones und Harold Swallow in den Wald; hinter uns verteilten sich die schwarzen Sportler auf dem Fußweg, bevor sie auf dessen ganzer Länge in den Wald eindrangen - sie

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