Das Hotel
Raubkatze Kelly direkt in die Augen starrte. Kellys Magen drehte sich um.
Cam hat recht. Wir sollten wegrennen.
Sie sprinteten los, weg von dem Biest, auf ein kleines Wäldchen zu. Dort versteckte sich Kelly hinter dem ersten dicken Baum und wagte einen Blick zurück.
Der Berglöwe sprang ihnen hinterher.
Kelly rang nach Luft. Die Angst ließ sie für einen Augenblick starr dastehen. Dann, aus dem Dickicht …
JD !
Der Hund erwischte die Raubkatze mitten in der Seite und biss sich am Genick des größeren Tiers fest. Ein Knäuel von Gliedmaßen, Zähnen und Krallen rollte auf dem Boden. JD knurrte, und der Berglöwe fauchte laut.
Plötzlich jaulte JD auf, und dann herrschte Stille.
JD ! Oh, nein …
Die Raubkatze schüttelte den Kopf und blickte in Kellys Richtung.
Kelly nahm Cams Hand, und sie rannten um ihr Leben.
Es war dunkel, und sie sahen nicht, wo sie hintraten. Kelly rutschte immer wieder aus, und Äste schlugen ihr gegen das Gesicht und die Hände. Sie stolperte oft, fiel zweimal hin. Ihr Finger tat noch immer weh, genau wie ihre Ferse, wo sie die Ratte erwischt hatte, aber sie ignorierte jegliche Schmerzen. Sie ignorierte überhaupt alles, außer dem überwältigenden Verlangen, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden.
Kelly war sich nicht sicher, wie weit sie gelaufen waren, doch es dauerte nicht lange, bis Cam zu keuchen anfing, und Kelly lief an ihm vorbei und zog ihn mit sich. Sie eilten durch die Bäume, kämpften sich durch das Dickicht, sprangen über einen tiefen Graben, bis der Untergrund steiniger wurde und es bergauf ging.
» Ich … kann … nicht … mehr«, brachte Cam endlich hervor. » Ich muss mich ausruhen.«
» Er könnte noch immer hinter uns her sein.«
Kelly wusste, dass Geparden bis zu einhundert Stundenkilometer schnell rennen konnten. Bei Berglöwen war sie sich nicht so sicher. Allerdings waren sie garantiert schneller als Menschen.
» Nur noch eine Minute«, sagte Cam. » Meine Lunge platzt gleich.«
Kelly starrte und lauschte in den Wald hinein. Sie schloss die Augen, um sich besser darauf konzentrieren zu können, hörte aber lediglich Waldgeräusche wie Grillen, eine Eule und irgendeinen nachtaktiven Vogel. Doch dann war da noch etwas.
Wasser. Laufendes Wasser, wie ein Bach oder vielleicht sogar ein Fluss.
» Verlassen sich Berglöwen beim Jagen auf ihren Geruchssinn?«, fragte sie.
» Was? Keine Ahnung.«
» Los.«
Sie schnappte sich Cams Hand und zog ihn in Richtung des Geräuschs. Es war nicht einfach, das Plätschern zu orten, und sie musste oft innehalten und erneut lauschen. Endlich erreichten sie das Ufer eines Bachs. Das Wasser war schwarz und circa vier oder fünf Meter breit. Sie hatte keine Ahnung, wie tief es war, aber die Strömung schien kaum nennenswert.
» Wir müssen da rüber«, sagte sie.
» Das ist garantiert eiskalt, es kommt aus den Bergen.«
» Das Wasser wird unseren Geruch verwischen. Und außerdem glaube ich nicht, dass Berglöwen schwimmen können – oder?«
» Ich dachte, sie mögen bloß kein Wasser. Doch du hast recht. Sicherer ist es auf der anderen Seite.«
Zufrieden, dass Cam ihr zustimmte, glitten sie vorsichtig das rutschige Ufer hinab. Kelly zog in Erwägung, ihre Turnschuhe auszuziehen, damit sie nicht nass wurden. Nach kurzer Überlegung entschied sie sich jedoch dagegen, weil es scharfe Steine auf dem Boden des kleinen Flusses geben konnte. Zaghaft steckte sie einen Fuß in das Wasser.
Ihr stockte der Atem. Das Wetter war schön, und es herrschten um die zwanzig Grad. Kelly fror nicht, obwohl sie lediglich eine Jogginghose und ein viel zu großes T-Shirt trug. Aber ihr war, als ob sie gerade in einen Eimer voll Eis getreten wäre.
» Und? Kalt?«, erkundigte sich Cam.
» Schon.«
» Dann lass uns da schnell durch. Je weniger Zeit wir im Wasser verbringen, desto besser.«
Jetzt war es wieder an Cam, ihre Hand zu nehmen, und sie folgte ihm ins Wasser. Mit jedem Schritt stieg das eiskalte Nass etwas höher, und bei jedem Zentimeter stockte Kelly der Atem.
» Beinahe geschafft«, ermutigte Cam sie. » Komm, wir sind gleich durch.«
Der Flussboden war schlammig und sog an ihre Schuhen. Auch die Strömung schien viel stärker, als es den Anschein hatte, und Kelly spürte, wie sie von Cam weggetrieben wurde. Sie hielt sich an seinem Handschuh fest, denn sie hatte Angst, fortgeschwemmt zu werden, sobald er losließ.
Und hier gibt es Wasserfälle. Ich habe selber einen gesehen. Ich kann zwar gut
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