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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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…«
    » Mal.«
    » … aber ich habe einfach keine Zeit.«
    » Ich könnte Sie zur Pension begleiten. Der Manager hat doch Rushmore gesagt – richtig? Ich wollte so oder so ein Taxi dorthin nehmen. Die Pillsburys, mein nächstes Interview, sind nämlich auch dort.«
    » Ich fahre einen Zweisitzer.«
    » Ich käme allein. Rudy kann ruhig hierbleiben. Er ist ein netter Kerl. Etwas ungehobelt vielleicht, aber er würde keiner Fliege etwas antun. Ich hoffe, er hat Sie nicht verletzt.«
    » Nein.«
    Das entsprach sogar der Wahrheit. Deb zu verletzen, war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem war sie stolz darauf, dass ihr nichts mehr peinlich war. Seit dem Verlust ihrer Beine hatte sich Deb derart an ihre Situation gewöhnt, dass ihr die Reaktionen anderer Menschen völlig egal waren. Verdammt, wenn sie durch die Stadt joggte, ließ sie regelmäßig neugierige Kinder ihre Prothesen begutachten.
    Warum also will ich so schnell wie möglich von hier weg?
    Deb kannte die Antwort.
    Weil er attraktiv ist. Jedes Mal, wenn ich mit gut aussehenden Männern zusammen bin, fühle ich mich irgendwie minderwertig.
    Unvollständig.
    Aber bin ich denn nicht stark genug, auch damit fertigzuwerden?
    Deb holte tief Luft und blies sie dann langsam und leise wieder aus.
    Ja … Ja, das bin ich.
    » Ich bitte Sie, Ms. Novachek. Ich glaube, ich habe Sie auf dem falschen Fuß erwischt …«
    Deb hielt inne und warf ihm einen strafenden Blick zu. Er schien zuerst verwirrt, errötete dann aber wie ein Teenager, den man gerügt hatte.
    » Oh Mann … Lassen Sie mich erklären, ich wollte wirklich nicht das Wort Fuß …«
    Sie ließ ihn noch einen Moment lang leiden, denn er tat das auf ziemlich süße Art. Doch dann erlöste sie ihn.
    » Machen Sie sich nichts daraus. Ich trete ständig in Fettnäpfchen. Wir könnten zum Buffet gehen, da kann ich ein Bein abnehmen und in Butter tunken.«
    Er starrte sie entsetzt an, bemerkte dann aber ihr Grinsen und fing laut zu lachen an.
    Deb ließ ein Lächeln über ihr Gesicht huschen. Es fühlte sich gar nicht so schlecht an.
    » Ms. Novachek, ich habe das Gefühl, dass das ein tolles Interview wird.«
    Deb hatte das gleiche Gefühl. » Nennen Sie mich Deb.«
    » Vielen Dank, Deb.« Er reichte ihr erneut die Hand.
    Diesmal war ihr Händedruck sanfter und länger.
    » Deb, hören Sie. Ich will mich nicht aufdrängen, aber der Manager hat etwas von mehreren freien Zimmern gesagt. Da meine Interviewpartner alle in derselben Pension wohnen, wäre es sinnvoll, mich ebenfalls dort einzuquartieren. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich schnell auf mein Zimmer gehe und meinen Koffer hole? Ich weiß, Sie haben es eilig, aber er liegt noch genauso da, wie ich ihn abgestellt habe. Es dauert nur einen Augenblick.«
    » Kein Problem, Mal. Ich stehe direkt vor dem Hotel. Die rote Corvette.«
    » Vielen Dank. Bin gleich wieder da.«
    Er zog seine Hand fort und eilte zu Rudy, um ihn über die neue Sachlage zu unterrichten. Deb wandte sich ab, um im Wagen auf ihn zu warten, und warf dabei einen letzten Blick auf den Manager. Er starrte sie unverblümt an und schien etwas vor sich hinzumurmeln.
    Redet er mit mir?
    Nein. Er telefonierte. Dann lächelte er, formte mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole und tat, als ob er abdrücken würde.
    Arschloch.
    Deb wandte sich ab und ging durch die Lobby zur Drehtür.
    Drehtüren waren nicht unbedingt für Prothesenträger geschaffen. Das Gleiche galt leider auch für Stufen und Rampen. Leitern jedoch waren besonders schlimm, und als sie einmal versucht hatte, auf eine zu steigen, war sie gestürzt und mit verstauchtem Handgelenk aufgestanden.
    Es gibt keine Schwierigkeiten, nur Herausforderungen.
    Aber warum muss selbst das Einfachste gleich in eine Herausforderung ausarten?
    Als sie noch im Internet auf Partnersuche gewesen war, hatte ein Mann genügend Mut bewiesen, sie zu fragen, wie es sich eigentlich anfühlte, mit Prothesen zu laufen.
    » Schon mal versucht, mit eingeschlafenem Fuß aufzutreten?«, lautete ihre Antwort.
    Das war ein guter, allerdings kein perfekter Vergleich. Er veranschaulichte das Fehlen jeglichen Gefühls, das ein genaues Setzen der Füße nahezu unmöglich machte. Aber die Sache mit dem Gleichgewicht war etwas anderes. Deb hatte über ein Jahr lang dreimal am Tag Physiotherapie gemacht, ehe sie wieder gehen konnte. Es hatte weitere zwei Jahre gedauert, um joggen zu können, denn Joggen war ein wesentlich komplizierterer

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