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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Prothesen, hielt dann aber inne und fragte: » Darf ich?«
    » Klar.«
    Mal holte die Prothese heraus. » Die ist aber leicht.«
    » Versuchen Sie mal, sie zu biegen.«
    Mal nahm das Gummiprofil, das als Sohle diente, in die eine Hand und das Ende, an das sie ihr Bein anschnallte, in die andere. Die Prothesen ähnelten tatsächlich einem umgedrehten Fragezeichen, und wenn Deb sie trug, erinnerte sie an einen Satyr mit den Beinen einer Ziege.
    Mal bog, aber das Bein gab kaum nach.
    » Stabil«, sagte er. » Und doch federnd.«
    » Sehr federnd. Wenn ich Anlauf nehme, kann ich hoch genug springen, um einen Basketball zu dunken.«
    » Und diese hier?«, fragte er, legte die Cheetah-Prothese wieder zurück und holte stattdessen einen Titan-Stab mit einer Klammer am Ende hervor.
    » Die nenne ich meine Long John Silver.«
    » Weil sie silbern sind?«
    » Ja, und weil sie wie das Holzbein eines Piraten aussehen. Die Klammer befestige ich an den Fahrradpedalen. Man kann sich auf ihnen zwar kaum aufrecht halten, aber sie funktionieren genauso wie ein Schienbein – ohne Feder –, sodass ein direkter Energietransfer vom Oberschenkel auf die Pedale erfolgt.«
    » Okay. Aber Sie haben doch auch gesagt, dass Sie zum Schwimmen keine Prothesen tragen.«
    » Das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Ich habe Prothesen zum Schwimmen – mit Flossen statt mit Füßen, aber die sind ausschließlich zum Trainieren gedacht. Deshalb habe ich sie auch zu Hause gelassen.«
    » Und was sind das für welche?«
    Er holte eine weitere Prothese hervor. Sie glich der Cheetah, war aber schmaler und nicht so kurvig. Anstatt wie ein Fragezeichen auszusehen, ähnelte der Fußteil eher dem Buchstaben L. Anstelle einer Gummisohle hatte sie einen Gummipfropfen mit stählernen Dornen. Es sah aus, als ob das L einen Seeigel als Zeh hätte.
    Mal berührte einen Dorn. » Darf ich raten? Die benutzen Sie, wenn Sie als Gladiatorin kämpfen?«
    » Die sind extra fürs Klettern gedacht. Eine Spezialanfertigung.«
    Mal hob eine Augenbraue. » Ich dachte, Sie haben mit dem Klettern nichts mehr am Hut.«
    Deb starrte über seine Schulter. Sie war sich zwar nicht sicher, aber sie glaubte, dass sich hinter ihm etwas bewegt hatte. Am Ende der Böschung.
    Etwas Großes, Dunkles.
    » Lassen Sie uns von hier verschwinden«, sagte sie.
    Mal legte das Bein in den Kofferraum zurück und machte ihn dann zu, während sich Deb hinters Steuer setzte und den Motor startete. Mal hatte sich nicht einmal angeschnallt, als sie bereits aufs Gas trat und sie die Straße entlangschossen.
    » Ich bin Reporter, also muss ich Ihnen diese Fragen stellen«, sagte Mal. » Aber gleichzeitig möchte ich Ihnen nicht zu nahe treten.«
    Deb blickte in den Rückspiegel. Da war nichts. » Machen Sie weiter. Sie können mich fragen, was Sie wollen.«
    » Darf ich das Interview aufnehmen?«
    » Ja.«
    Mal schaltete das Licht an und holte einen Minirekorder aus seiner Tasche, der ungefähr so groß wie ein Handy war.
    » Okay. Warum haben Sie also Kletterprothesen, wenn Sie nicht klettern gehen?«
    Deb spürte, wie sich Gänsehaut auf ihren Armen bildete. Aber sie schaffte es, einigermaßen überzeugend mit den Achseln zu zucken. » Ach, ich werde sicher wieder klettern. Eines Tages. Aber momentan bin ich sehr beschäftigt – wissen Sie?«
    » Haben Sie Angst?«
    Sie warf ihm einen Blick zu. Er wollte sie nicht auf den Arm nehmen oder bloßstellen, und er hatte einen Notizblock in der Hand.
    » Was wissen Sie über meinen Unfall?«, fragte sie.
    Mal blätterte seinen Notizblock durch, bis er die richtige Seite gefunden hatte. » Sie waren allein klettern, und zwar im New River Gorge in Fayetteville in West Virginia. Gar nicht so weit von hier. Der Fels, an dem Sie hingen, lockerte sich. Sie fielen zehn Meter in die Tiefe und zerschmetterten sich dabei Ihre Beine. Dann mussten Sie fünf Kilometer kriechen, um Hilfe zu holen.«
    Mals Schilderung ihres Unfalls entsprach nicht ganz den Tatsachen. Er lag sogar in mehreren Details daneben, aber Deb korrigierte nur unwesentliche Einzelheiten. Den Rest behielt sie für sich.
    » Ich kroch vier Komma drei Kilometer weit, nicht fünf. Ich bin später noch mal zurückgegangen und habe es nachgemessen. Und ich fiel knappe zwanzig Meter, wovon ich die ersten zehn einen steilen Felsvorhang hinabrutschte. Und obwohl das Ganze wahrscheinlich nur fünf oder sechs Sekunden dauerte, kam es mir wesentlich länger vor.«
    » Das kann ich mir vorstellen.«
    Deb blickte

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