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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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diesen Befund in ihre hässlichen Fratzen geschrien.
    Aber sie versuchten es trotzdem. Versuchen es immer noch.
    Am Anfang war sie froh darüber, nicht schwanger werden zu können.
    Inzwischen wünschte sie es beinahe. Um einem anderen menschlichen Wesen nahe zu sein.
    Ein Baby in Armen zu halten, nur für einen Moment. Irgendjemanden in Armen zu halten.
    Sie will ihre Familie sehen. Verdammt, sie will sich sehen. Es ist so lange her, dass sie in einen Spiegel geschaut hat.
    Und die Sonne. Sie würde alles geben, um wieder die Sonne auf ihrem Gesicht zu spüren.
    Sie versucht, sauber zu bleiben. Sie geben ihr Seife. Sie wäscht sich mit dem kalten Wasser aus der Pumpe. Wäscht die wenigen Lumpen, die sie ihr gelassen haben. Sie geben ihr Zahnpasta, aber keine Zahnbürste. Sie benutzt ihre Finger.
    Flucht ist unmöglich. Jeglicher Widerstand wird mit Gewalt vergolten.
    Aber es besteht immer noch die Möglichkeit, gerettet zu werden.
    Obwohl ihre Hoffnung über die Monate verblasste, ist sie nicht gänzlich gestorben. Es gibt immer einen winzigen Funken Hoffnung.
    Weil sie weiß, dass er nach ihr sucht. Sie weiß, dass er nie aufgeben wird.
    Und wenn er kommt, will sie bereit sein.
    Also versucht sie, gesund zu bleiben. Durchzuhalten. Alles zu ertragen.
    Aber tief im Inneren weiß sie, dass sie kurz vor dem Ende steht.
    Sie haben nicht mehr viele Gefangene übrig. Was bedeutet, dass sie immer häufiger benutzt wird.
    Schon bald wird sie völlig ausgelaugt sein. Die Narben an ihrem Arm spiegeln das deutlich wider.
    Sie macht erneut Liegestütze. Ihre Fingernägel sind schmutzig vom Erdboden. Dann trinkt sie etwas Wasser und zuckt bei dem Geschmack zusammen. Ihr wird schwindlig.
    Dann hört sie Schritte.
    Sie kommen. Schon wieder.
    Sie versucht die Tränen zurückzuhalten. Sie muss ihre Kräfte sparen. Sie kann nichts dagegen tun.
    Aber die Tränen kommen trotzdem.
    Die Tür öffnet sich, und der immerwährende Albtraum wird um ein Vielfaches schlimmer.
    JD rastete völlig aus. Er kratzte an der Windschutzscheibe und bellte so laut und heftig, dass Florence sich wunderte, wie das Tier überhaupt Luft bekam. Die ältere Frau lehnte sich vor und ergriff sein Halsband.
    » Ruhig, JD ! Ruhig.«
    Der Schäferhund winselte, setzte sich dann aber. Die Nacht war dunkel und ruhig und schien sich wie eine Decke über das Auto zu legen.
    » Was ist passiert, Grandma?«
    Florence tätschelte Kellys Bein. » Ein Vorderreifen ist geplatzt.«
    » Wie das?«
    » Das weiß ich auch nicht, Liebes.«
    Das war eine seltsame Panne. Bei ihrem letzten Platten waren sie über einen Nagel gefahren, und die Luft war langsam entwichen. Diesmal jedoch hatte es beinahe einer Explosion geglichen.
    Als ob …
    Das Klopfen an der Scheibe schreckte alle drei auf. Jemand richtete den Strahl einer Taschenlampe direkt in Florences Augen, sodass sie geblendet wurde. Der Hund war jetzt nicht mehr zu halten. Er sprang auf das Licht und die Gestalt mit der Taschenlampe zu und attackierte das Seitenfenster.
    » Alles klar da drin?«
    Letti schaltete das Innenlicht an, und Florence starrte auf die Frau, die vor dem Auto stand. Die Fremde war groß, weit über einen Meter achtzig, und gebaut wie ein Schrank. Sonst konnte sie nichts weiter erkennen. Es war einfach zu dunkel, und die Frau stand zu weit weg.
    » JD , jetzt aber Ruhe!«, ermahnte Letti den Hund.
    JD bellte weiter.
    Florence schlug dem Hund einmal kurz auf den Kopf. » JD !«
    Endlich gab er Ruhe, fletschte aber noch immer die Zähne. Letti drückte auf einen Knopf, und das Fenster öffnete sich einen Spalt breit.
    » Willkommen im Rushmore Inn«, sagte die hochgewachsene Frau. Ihre Stimme klang ungewöhnlich schrill für jemanden ihrer Größe. » Sie sind sicherlich die Pillsburys. Wir erwarten Sie bereits. Ich bin die Eigentümerin. Kann ich Ihnen mit Ihrem Gepäck behilflich sein?«
    Die Frau kam näher. Sie hielt das Gesicht direkt neben das Fenster und lächelte. Ihr Gebiss war riesig. Es sah aus, als hätte sie ihren Mund mit Pfefferminzbonbons vollgestopft. Aus der Nähe konnte Florence ihre Augenfalten und die lose Haut an ihrem Hals ausmachen. Sie schätzte die Frau auf Mitte sechzig. Sie trug ein blaues Kleid mit Blumenmuster und einem Spitzenkragen, der aus dem letzten Jahrhundert zu stammen schien. Ihre grauen Haare waren aufgetürmt und mit Haarspray zu einem Helm geformt, auch wenn es nicht ganz zu einer Bienenkorb-Frisur reichte. Darauf thronte ein winziges Hütchen, wie Jackie O. es

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