Das Hotel
blute?«
» Ich habe gesagt, du sollst den Mund halten!«
Felix schlug John mit dem Gummizug gegen den Kopf, ehe er ihn um dessen Knöchel wickelte. Schließlich warf er eine Plane über den Jäger.
Dann zog Felix sein Hemd aus und nutzte das geschmolzene Eis der extragroßen Cola, die er einige Stunden zuvor gekauft hatte, um sich Kopf und Hals zu waschen. Das Blut hatte zu trocknen begonnen und wollte sich nicht so leicht entfernen lassen, aber mit einem neuen Hemd und einer Baseballkappe würde ihn niemand eines zweiten Blicks würdigen.
» Was hast du vor? Wohin bringst du mich?«, fragte John mit bebender Stimme.
» Wir werden uns über Maria unterhalten.«
» Du solltest mich besser gehen lassen, oder du bekommst Schwierigkeiten. Große Schwierigkeiten.«
» Falls du es noch nicht begriffen hast: Du bist jetzt derjenige, der in großen Schwierigkeiten steckt, Arschloch.«
» Wenn du mir wehtust, kriegst du das Mädchen nie zurück.«
Felix’ Herz schlug ihm bis zum Hals.
Lebt Maria wirklich noch? Oder erzählt mir diese durch Inzucht gezeugte Missgeburt das nur, um seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen?
Ich werde die Wahrheit herausfinden. So wahr mir Gott helfe, ich werde alles erfahren, was dieser Hinterwäldler getrieben hat, seit seine hässliche Mamma ihm die Baumwollwindeln wechselte.
Felix setzte ein schiefes, hässliches, irres Grinsen auf, gab eine Mischung aus Glucksen und Schluchzer von sich und fuhr los.
Sie hat nicht die geringste Ahnung, welcher Tag oder Monat ist.
Wenn sie danach geht, wie lang ihre Haare gewachsen sind, ist sie schon lange hier. Zehn Monate? Ein Jahr?
Noch länger?
Es ist unmöglich, aus der Depression aufzutauchen. Sie ist schlimmer als die Angst, schlimmer als die Misshandlungen, schlimmer als …
Sie will an die letzte Sache lieber nicht denken. Aber es wird wieder passieren. Bald. Sehr bald. Es ist an der Zeit.
Flucht ist unmöglich. Die Tür ist aus solidem Eisen, eingelassen in Beton. Sie darf nichts bei sich tragen, das als Waffe benutzt werden könnte. Keinen Bleistift, nicht einmal einen Löffel.
Einmal hat sie versucht, einen Hühnerknochen in ihrer Zelle zu verstecken. Sie wollte ihn an der Wand schärfen, ihn gegen sie einsetzen.
Sie fanden ihn. Die Folgen waren fürchterlich.
Widerstand wird bestraft. Mit Schlägen. Oder Essensentzug.
Oder Schlimmerem. Viel, viel Schlimmerem.
Früher hatte sie Albträume. Von ihnen. Insbesondere von einigen von ihnen. Den grausamsten. Den grausigsten.
Jetzt ist alles nur noch ein einziger Albtraum.
Eine Zeit lang hat sie nichts mehr gegessen. Sie wollte sterben.
Sie fesselten sie an einen Stuhl, steckten ihr einen Schlauch in den Rachen, drehten das Essen durch einen Fleischwolf und zwängten es durch den Schlauch. Außer Getreide und einem Hamburger zermahlten sie eine Ratte.
Eine lebende Ratte samt Blut, Fell, Knochen und Quietschen. Aus dem Fleischwolf direkt in ihren Magen.
Danach aß sie ihre Rationen.
Der Boden ihrer Zelle ist blanke Erde. Die Tür aus Metall. Eine Matratze. Eine Handpumpe für Wasser, das sehr seltsam schmeckt. Einen Nachttopf aus Aluminium. Und Bücher. Sie darf Bücher lesen. Irgendwelche alten Taschenbücher. Romane. Und Sachbücher. Über Präsidenten. Es ist schwer, sie zu lesen, denn die Lampe mit ihren fünfundzwanzig Watt gibt nicht viel Licht her, aber das stört sie nicht weiter.
Sie trainiert jeden Tag. Das hilft ihr, die Zeit zu vertreiben und nicht wahnsinnig zu werden.
Aber sie ist sich nicht sicher, wie lange sie noch bei Verstand bleiben kann.
Sie hat Gewicht verloren und kann nicht so recht verstehen, warum sie überhaupt noch lebt. Wie sie das, was sie ihr antun, überleben kann.
Sie ist nicht allein. Es gibt andere Gefangene. Sie weiß nicht, wie viele. Mindestens drei. Vielleicht auch mehr. Reden wird sofort bestraft. Wann immer sie aus der Zelle geschleppt wird, streift man ihr eine Kapuze über den Kopf.
Aber sie weiß, dass es andere gibt.
Sie hat mit ihnen geflüstert. Mit einigen Freundschaft geschlossen, ohne ihre Gesichter zu kennen. Männer und Frauen in den Zellen nebenan.
Doch sie bleiben niemals lange.
Vielleicht werden sie verlegt. Vielleicht fliehen sie.
In Wirklichkeit weiß sie jedoch, was mit ihnen geschieht.
Dies ist ein Schlachthof. Hier kommt niemand lebend raus.
Einmal hörte sie ein Baby schreien und musste weinen.
Sie weinte um das Kind. Weinte um die arme Mutter.
Weinte um sich.
Sie konnte keine Kinder bekommen. Sie hatte
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