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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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getragen hatte.
    Was Florence jedoch am meisten an der Frau auffiel, waren ihre Augen. Sie waren groß und braun und quollen wie die eines Froschs hervor. Sie mochte zwar von einem zum anderen Ohr lächeln, aber die Augen waren seltsam leer und völlig ausdruckslos.
    Letti drehte sich zu Florence um, und die beiden Frauen tauschten einen besorgten Blick aus. Doch ehe Florence den Mund aufmachen konnte, wies Letti Kelly an, JD die Leine anzulegen, und öffnete dann die Tür.
    Rasch folgte Florence dem Beispiel ihrer Tochter und kletterte aus dem Wagen. Sie richtete sich auf, um der Eigentümerin von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Doch es war eher von Angesicht zu Busen. Die Gastwirtin des Rushmore Inn war ungefähr zwanzig Zentimeter größer als Florence.
    » Ich heiße Eleanor Roosevelt«, begann sie mit ihrer Fistelstimme. » Mein Großvater war ein Cousin zweiten Grades von Theodore Roosevelt, dem sechsundzwanzigsten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Aber ich wurde natürlich nach Mrs. Franklin Delano Roosevelt genannt. FDR war der einzige Präsident, der drei Amtszeiten im Weißen Haus verbrachte.«
    Sie blinzelte, setzte ein falsches Lächeln auf und streckte Florence die Hand entgegen. Florence nahm sie und fand sich sofort in einem Wettkampf. Eleanors Hand war groß und fleischig, und sie war ausgesprochen kräftig. Aber Florence hatte die letzten vierzig Jahre ein striktes Trainingsprogramm eingehalten und war imstande, locker hundert Liegestütze auf ihren Fingerspitzen hinzulegen, ohne in Schweiß auszubrechen. Obwohl sie nicht auf die gleiche Hebelwirkung wie ihr Gegenüber zurückgreifen konnte, war sie doch in der Lage, eine Dose mit der Hand zu zerquetschen.
    Die beiden Frauen blieben einige Sekunden im Wettkampf verharrt, ließen sich aber nichts von der Anstrengung in ihren Gesichtern anmerken.
    » Und Sie sind?«, fragte Eleanor, die Stimme ruhig, während ihr Händedruck zunahm.
    » Florence. Ich bin nach niemandem benannt und finde es erfrischend, ich selbst zu sein.«
    Eleanor neigte den Kopf zur Seite. » Florence, wir könnten ungefähr gleich alt sein. Sind Sie sicher, dass Sie beim Ironwoman mitmachen wollen? Es wäre eine Schande, wenn Sie auf einmal einen Herzinfarkt bekommen würden. Erinnern Sie sich noch an Präsident Dwight D. Eisenhower, der 1955 an einem Infarkt gestorben ist?«
    » Ich habe Ike nie gemocht.«
    Eleanor kniff die Augen zu engen Schlitzen zusammen und wischte sich dann die Hand an ihrem dicken Bauch ab. » Nun gut. Es freut mich auf jeden Fall, Sie alle kennenzulernen.« Sie wandte sich Letti zu. » Und Sie müssen Letti sein. Wir haben ja am Telefon miteinander gesprochen. Ich bin Eleanor Roosevelt. Mein Großvater war der Cousin zweiten Grades von Theodore Roosevelt, dem sechsundzwanzigsten Präsidenten der Vereinigten Staaten.«
    » Das habe ich bereits gehört. Sehr erfreut, Eleanor.«
    Florence beobachtete die Riesin, wie sie versuchte, auch Lettis Hand zu zermalmen, und freute sich diebisch, dass Eleanor aufschrie, als ihre Tochter einmal richtig zudrückte.
    Das ist sie – meine kleine Letti.
    Eleanor konnte ihre Hand nicht schnell genug zurückziehen.
    » Wir haben dummerweise einen Platten auf Ihrer Einfahrt erlitten«, erklärte Letti mit unveränderter Miene.
    Eleanor schnalzte mit der Zunge. » Ja, das passiert relativ häufig. Wir versuchen, die Zufahrt freizuhalten, aber es gibt so viele spitze Steine.«
    Letti verschränkte die Arme – ihre Siegesstellung. » Auf der Fahrt mussten wir bereits unseren Ersatzreifen aufziehen. Gibt es hier eine Werkstatt in der Gegend oder jemanden, der Reifen verkauft?«
    » Aber selbstverständlich. Doch um diese Zeit kommt niemand mehr her. Kann es bis morgen früh warten?«
    » Morgen früh müssen wir uns für den Wettkampf anmelden«, sagte Letti.
    » Kein Problem. Einer meiner Jungs kann Sie in die Stadt fahren.«
    » Wir haben drei Fahrräder dabei, die wir mitnehmen müssen.«
    » Auch das ist kein Problem, wir haben einen Truck«, erwiderte die Hotelbesitzerin.
    Florence glaubte so etwas wie einen Schatten hinter Eleanors Schultern zu sehen, der hinter dem Hotel verschwand.
    » Gibt es viele Tiere in der Gegend?«, erkundigte sie sich jetzt.
    Eleanor senkte die Stimme um eine ganze Oktave. » Hier im Wald laufen alle möglichen Viecher herum: Bären, Wildschweine, sogar Berglöwen. Umso mehr Grund, schnell hineinzugehen. Kommen Sie. Sie müssen nach der langen Fahrt müde sein. Sie kommen den

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