Das Hotel
ruckelte erneut. Diesmal stärker. Wer auch immer darunterlag, spielte mit den Federungen.
Dann hörte sie denjenigen kichern. Ganz leise.
Die Angst, die Deb überkam, war das Schlimmste, was sie jemals mitgemacht hatte. Schlimmer, als von einem Berg zu fallen. Schlimmer, als von einem Berglöwen verfolgt zu werden.
Das hier ist kein selbst verschuldeter Fehler. Das hier ist nicht die teilnahmslose Grausamkeit der Natur.
Das hier ist ein menschliches Wesen, das darauf aus ist, mir etwas anzutun.
Sie dachte an die Reifenpanne. Vielleicht hatte Mal doch recht gehabt. Vielleicht hatte jemand tatsächlich auf den Reifen geschossen, sodass sie keine andere Wahl gehabt hatten, als hier einzukehren.
Vielleicht lag der Schütze unter ihrem Bett.
Was soll ich nur machen? Normale Leute könnten einfach davonlaufen. Aber ich?
Vielleicht kann ich mit ihm reden.
Debs Stimme zitterte, als sie den Mund aufmachte: » Wer ist da?«
Nach einer fürchterlichen Stille erwiderte eine Stimme direkt unter ihr: » Ich bin Teddy.«
Die Antwort traf sie wie eine Faust ins Gesicht. Sie hatte solche Angst, dass sie zu zittern begann. Er war direkt unter ihr.
» Was … Was wollen Sie, Teddy?«
Keine Antwort.
» Teddy?«
» Ich will dich bluten sehen, Mädchen.«
Deb steckte sich die Faust in den Mund und biss sich auf die Knöchel, um nicht laut aufzuschreien. Sie sah sich im Zimmer um. Vielleicht gab es etwas, das sie als Waffe benutzen konnte. Aber da war nichts. Ihre Bauchtasche samt dem Taschenmesser hatte sie auf dem Waschtisch im Bad liegen gelassen.
» Ich hab deine Beine« , erklärte Teddy. » Du kannst nicht mehr weg.«
Die Furcht war überwältigend. Was blieb ihr anderes übrig, als hier zu warten, bis der Verrückte unter dem Bett hervorkam und auf sie kletterte? An eine Flucht war nicht zu denken. Sie hätte genauso gut festgezurrt oder querschnittgelähmt sein können.
Wie kann ich vor etwas wegrennen, wenn ich noch nicht einmal stehen kann?
Mal . Er ist direkt nebenan.
» Mal!«, schrie sie und trommelte mit den Fäusten gegen die Wand. » Mal, hilf mir!«
» Hilf mir, Mal!« , äffte Teddy sie in einer hohen Fistelstimme nach. » So hilf mir doch!«
Deb holte tief Luft und brüllte so laut es ging:
» MAAAAAL !«
Mal antwortete nicht.
» Dein Freund wird dir nicht helfen, Debbie. Harry hat sich bereits um ihn gekümmert.«
Teddy drückte so heftig gegen die Matratze, dass Deb beinahe herunterfiel.
» Achtung, fertig, los! Ich komme.«
Sie hörte, wie eine Hand auf den Boden schlug. Deb nahm ihren ganzen Mut zusammen und lugte vorsichtig über die Bettkante. Da war sie, Teddys Hand – groß und schmutzig, die Fingernägel lang und gelb. Teddys Daumen bestand eigentlich aus zwei Daumen. Er spaltete sich am Knöchel und sah wie ein Ypsilon aus.
Deb wollte nach einem Finger greifen und versuchen, ihn zu brechen. Doch die Angst lähmte sie.
Die zweite Hand erschien. Wieder dieser gegabelte Daumen. Dann kam Teddy hervor. Seine braunen Haare waren verfilzt und dreckig. Er drehte sich um und starrte Deb an. Sein Gesicht war genauso hässlich wie seine Hände. Buschige Augenbrauen, strähniger Bart, ein Auge größer als das andere. Eine Pupille war grau von einem Katarakt, die andere derart blutunterlaufen, dass sie einer Kirsche glich. Teddy grinste und entblößte dabei fleckige, verfaulte Zähne. Deb roch seinen Gestank aus altem Schweiß und vergorener Milch.
» Du bist aber eine Hübsche. Der alte Teddy will dich am liebsten direkt anbeißen, ehe wir dich anzapfen.«
Dann zog er den Rest seines Körpers unter dem Bett hervor, und sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen.
Er hatte keine Beine.
Halt, er hatte doch welche.
Seine Latzhose endete kurz unter seinem Hintern, an dem zwei winzige Füße steckten, wie die eines Kleinkinds.
Ich habe eine Chance.
Ich kann flüchten.
Die Angst wich der Hoffnung, und Deb rollte sich auf der anderen Seite aus dem Bett und landete auf Händen und Knien auf dem Boden. Dann schaute sie unter das Bett, um zu sehen, wo Teddy war …
… und starrte ihm direkt ins graue Auge, das nur wenige Zentimeter von ihr entfernt war.
Teddys Hand schoss vor und packte Deb an den Haaren, ehe sie reagieren konnte. Sie stach ihm ihren ausgestreckten Zeigefinger hart in das gute Auge. Teddy heulte auf und ließ von ihr ab. Jetzt krabbelte sie so rasch wie möglich um das Bett herum.
Flur oder Schrank? Flur oder Schrank?
Schrank. Ohne Beine komme ich nicht weit.
Also robbte
Weitere Kostenlose Bücher