Das Hotel
entblößten Stumpen sehen könnte, gefiel ihr ganz und gar nicht. Wie also sollte sie sich jemandem nackt zeigen?
Ich will mich nicht länger selbst hassen.
Deb öffnete die Augen. Ihr war eine Idee gekommen.
Ich könnte zu ihm gehen.
Nicht, um mit ihm zu schlafen. Deb wusste, dass sie noch nicht so weit war. Aber sie könnte ihm zumindest einen Gute-Nacht-Kuss geben.
Es war schon so unglaublich lange her, seit sie das letzte Mal einen Mann geküsst hatte.
Sie stand auf, ging zur Tür und legte bereits die Hand auf die Klinke, ehe sie innehielt.
Jetzt wird aus der Kneifenden eine Bedürftige.
Sie überlegte, was schlimmer war – Feigheit oder Unsicherheit – und entschied sich Feigheit.
Deb durchquerte den Flur und ging zu Mals Zimmer. Sie war überrascht, als sie bemerkte, dass die Tür einen Spaltbreit offen stand.
Erwartet er mich etwa?
Deb hielt inne.
Soll ich klopfen? Wieder in meinem Zimmer verschwinden? Oder doch hineingehen?
Sie klopfte leise.
Keine Antwort.
Deb federte ein wenig auf ihren Cheetah-Prothesen auf und ab, während sie überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. Falls er die Tür aus Versehen aufgelassen hatte, wäre es ein ganz schöner Fauxpas, einfach hineinzuplatzen.
Aber wer vergisst schon, die Tür zu schließen?
Deb trat ein. Sie merkte sofort, warum er nicht geantwortet hatte. Sie hörte die Dusche und sah den Dampf, der unter der Tür zum Badezimmer hervorkam.
Er erwartet mich also nicht.
Einen Moment lang wog sie ab, ob sie ihm in der Dusche Gesellschaft leisten sollte. Das war natürlich nichts als reine Fantasie. So etwas würde sie nie tun, mit oder ohne Beine. Aber sie schwelgte einen Moment lang in der Vorstellung. Vielleicht würde sie etwas Cooles sagen wie » Genug Platz für zwei?« oder würde auf Zehenspitzen hineinschleichen und ihm den Rücken waschen.
Verdammt, ich hätte ihn küssen sollen.
Er schaltete die Dusche aus.
Ich könnte hier warten. Ihn überraschen, wie er aus dem Bad kommt. » Deine Tür stand offen. Ich dachte, wir könnten das mit dem Gute-Nacht-Kuss doch noch einmal versuchen.«
Die Badezimmertür öffnete sich knarzend.
Deb drehte sich in Windeseile um und verschwand. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich schloss.
» Großartig, Deb«, sagte sie. » Das war eine echte Meisterleistung.«
Verärgert ging sie ins Bad und betrachtete die Wanne. Vorher war es ihr einziger Wunsch gewesen, ein heißes Schaumbad zu nehmen. Deb liebte Schaumbäder – das Gefühl der Schwerelosigkeit im Wasser, der Schaum hoch genug, um sich vorstellen zu können, noch Beine zu haben.
Aber als sie jetzt die Wanne genauer untersuchte, bemerkte sie, wie hoch diese war. Außerdem gab es keine Griffstange an der Wand. Das bedeutete, dass sie irgendwie über die Kante in die Wanne rutschen müsste. Der geflieste Boden war wahrscheinlich kalt, und es gab nicht genügend Badetücher, um ihn zu bedecken. Zudem müsste sie danach ihre Prothesen wieder anziehen, um ins Bett zu kommen.
Viel Arbeit für ein bisschen Entspannung. Außerdem mochte sie das riesige gerahmte Poster von Theodor Roosevelt ganz und gar nicht, das gegenüber der Toilette hing.
Es scheint mich anzustarren.
Deb entschied sich also gegen ein Bad. Sie würde früh aufstehen und sich morgen darum kümmern. Jetzt wollte sie nur noch ins Bett und vergessen, dass dieser Tag je passiert war. Entschlossen nahm sie die Bauchtasche ab, legte sie auf den Waschtisch und holte Zahnbürste und Zahnpasta hervor. Das Wasser war unsagbar ekelig, aber sie hielt trotzdem durch. Danach schnappte sie sich ein Handtuch, trat ans Bett, setzte sich auf die Kante und zog sich bis auf den Schlüpfer aus.
Ich hasse es.
Deb drückte auf den Knopf und erlaubte etwas Luft in das Vakuum zwischen Bein und Prothese. Dann legte sie die Cheetah-Prothesen neben das Bett und rollte den Strumpf aus Silikon hinab, der über den Rest ihrer linken Wade gestreift war. Der angesammelte Schweiß des Tages tropfte zu Boden. Deb trocknete die Socke mit dem Handtuch und roch daran.
Das kann ich morgen wieder anziehen.
Dann nahm sie das Silikonkissen heraus, trocknete es ebenfalls und wiederholte den Vorgang auf der anderen Seite, ehe sie die Socken auf den Nachttisch legte. Endlich warf sie einen Blick auf ihre Beine.
Sie endeten unterhalb der Knie. Das linke Bein war knappe zehn Zentimeter länger als das rechte, und beide verjüngten sich, bis sie abrupt aufhörten. Deb hasste die
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