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Das Hundehotel

Das Hundehotel

Titel: Das Hundehotel
Autoren: Diane Cooper
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wiedererkannte, Verstecken spielen wollte, sah sie ihn so lange flehend an, daß er nicht nein sagen konnte. Ich hatte Adam, der den Sommer mehr oder weniger gegen seinen Willen bei seinem Vater in Frankreich verbrachte, Fotos geschickt und ihm versprochen, er könne für die letzte Ferienwoche zu uns kommen, wenn er zurück sei. Ich hatte versprochen, mit seiner Mutter darüber zu reden. Ich war einigermaßen sicher, daß sie nichts dagegen haben würde. Sie schien sich kaum etwas aus ihm zu machen. Als sie dann eines Morgens anrief, war ich so überrascht, daß ich kaum ein Wort hervorbringen konnte.
    Sie hatte eine leise, kultivierte Stimme, die abrupt laut wurde, wenn sie nachdrücklich sein wollte, wie eine Frau, bei der sich in der Schlange an der Bushaltestelle jemand vordrängelt. Sie sagte, sie habe eben erst gehört, daß Adams Hund bei mir sei. Sie finde, man hätte es ihr mitteilen sollen. Sie müsse sich sehr wundern über dieses Komplott zwischen Adam und mir. Sie wäre sehr dankbar, wenn ich es ihr erklären könnte. Vielleicht könnte ich kurz vorbeikommen.
    Ich sagte, vielleicht könnte sie kurz vorbeikommen. Ich sei sehr beschäftigt, und es gebe eine ganze Menge zu besprechen.
    «Sie denken also, ich sei nicht sehr beschäftigt?» Als wäre es eine Tugend, eine sehr beschäftigte Dame zu sein, so ungefähr wie Jungfräulichkeit.
    Ich ließ nur einen geringen Zweifel aufkommen: «Wir sind alle sehr beschäftigt. Ich habe so oft versucht, Sie telefonisch zu erreichen, daß ich glaube, Sie müssen fast so beschäftigt sein wie ich!» (So beschäftigt, verkniff ich mir hinzuzufügen, daß Sie Ladys Fortsein erst jetzt bemerkt haben.)
    «Ich war in Italien, und jetzt muß ich nach New York. Ich muß noch auspacken, umpacken und neu packen. Ich muß meiner Haushälterin sagen, was Adam für das neue Schuljahr an Kleidung braucht. Ich bin völlig fertig, und —», sie schien meine Gedanken zu lesen wie ein offenes Buch - «was mich betrifft war dieser Hund schon immer fort.» Mir fiel ein, daß Adam gesagt hatte, er habe Lady wegen irgendwelcher Leute immer irgendwo versteckt. Wie gewöhnlich, wenn ich an Adam und Lady und ihre erzwungene Trennung voneinander dachte, mußte ich würgen. Etwas freundlicher sagte ich: «Dann sind wir also beide stark beschäftigt. Haben Sie übrigens einen Wagen?» Ich appellierte jetzt an niedere Instinkte.
    «Natürlich», sagte sie.
    Triumphierend entgegnete ich: «Ich nicht.» Mein Auto lauerte noch unversichert, unversteuert und unglücklich in der kleinen Garage, und sie erklärte seufzend:
    «Morgen um zehn?» Ich sagte, ich freue mich.
    Emilys Gepäck kam zusammen mit der Telefonnummer ihres Arztes. Ihr Koffer enthielt unzählige lange Röcke und einige Jeans. «Bei den Röcken sieht man mein Bein nicht», sagte sie mit einer Resignation, die mich traurig stimmte. Und plötzlich wußte ich, warum sie es haßte, in den Ferien in Hotels zu wohnen und am Strand lange Röcke tragen zu müssen, während die anderen Mädchen in Bikinis herumliefen. Ich sagte, in Anbetracht der Arbeit wären Jeans im Haus und im Garten das beste. Wir legten also die langen, feinen Röcke zusammen und packten sie für den Rest des Aufenthalts hinten in den Schrank. Ich wollte sie überreden, die Jeansbeine bis zum Rand der Gummistiefel hochzukrempeln und dann die Stiefel wegzulassen und die Hosenbeine vielleicht noch weiter hochzukrempeln, bis sie praktisch Shorts trug. Wenn das verkümmerte Bein Luft bekam, würde es vielleicht nach ein paar Tagen etwas gesünder aussehen und ihr weniger ausmachen. Aber wir hatten viel Zeit. Wir brauchten nichts zu überstürzen.
    Am nächsten Morgen brachte ich um zehn vor zehn meine Haare in Ordnung, kramte mein Party-Lächeln hervor (ich glaube, es ist Nr. 2 - es war lange her, seit ich die Sammlung das letzte Mal benutzt hatte) und rezitierte auf dem Klo einige passende Verse aus Blakes . Sehr beruhigend. Sehr tröstlich. Künstliche Hilfsmittel wie dieses hätten nach dem einigermaßen erfolgreichen Sommer, der hinter mir lag, eigentlich überflüssig sein müssen, aber die ungewisse Zukunft ließ keinen übertriebenen Optimismus aufkommen. Ich zog nicht mal eine saubere Latzhose an.
    Adams Mutter war fast genauso, wie ich sie mir vorgestellt hatte, nur jünger. Groß, mit vollen, dunklen Haaren und sehr reiner Haut. Nur der Mund verriet, daß sie die egozentrische Person war, auf die ihr Tun und Lassen hindeutete. Münder
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