Das Hundehotel
konnte ich nicht mal mehr daran denken, irgendwann wieder Fleisch zu essen.
Ich drehte mich die ganze Nacht von einer Seite auf die andere und zerbrach mir den Kopf über gebackene Bohnen und Wurst, und ab und zu drängten sich Erdbeeren in Dosen und Bananen dazwischen, bis sich mein Magen ebenfalls drehte. Doch mit der Sonne kamen auch meine Entschlüsse, und ich schlief selig ein.
Ben war den größten Teil des Tages damit beschäftigt, sein Zimmer wohnlich zu gestalten - den großen leeren Raum gegenüber von meinem Schlafzimmer, in der anderen Ecke des Hauses, mit Blick auf die Autostraße und einem ganz ähnlichen Balkon. Dann setzte er sich an meine Schreibmaschine und begann einen Brief an seinen Vater. Ich leerte ein paar Kisten, bis ich das Buch fand, das ich suchte - Kochen für sprachlose Gäste. Ich hatte ein bestimmtes Kapitel im Sinn. Ich machte eine kurze Liste mit den Zutaten, die Ben noch mit dem Fahrrad besorgen sollte, aber die meisten Sachen ließen sich ein bißchen variieren oder angleichen. Ich konnte viel besser improvisieren als kochen.
Die Hunde freuten sich, wenn ich beschäftigt und zufrieden war. Ben war genau die richtige Gesellschaft; er war die meiste Zeit nur «da» und kam mir nicht dauernd in die Quere. Er machte vernünftige Bemerkungen über die einfachsten Dinge, nicht gerade weltbewegend, aber es entsprach in etwa meinem eigenen Niveau. Sachen über BBC 2 und den Weltraum und Fahrradglocken.
Hetty würde um sieben Uhr kommen. Ben und ich sorgten dafür, daß die Hunde früh schlafen gingen, die Ziege gemolken und die Hühner eingesperrt wurden. Die Zwerghühner hatten sich endlich von den Bäumen herunterbequemt, und Steve hatte einen alten Taubenschlag abgeladen, den sie sofort akzeptierten. Gegen halb sieben war alles bereit.
Wir wollten draußen essen, so daß ich Lampen hinausgestellt hatte. Die Schirme hatte ich mit rosa Seide drapiert, passend zum Tischtuch und zu den Servietten. Wir nahmen den runden Eisentisch für unsere Teller und die lange Bank aus der Diele für die Schüsseln. Die Wirkung war verblüffend. Als es dunkel wurde und die Lichter angingen und die Straße im Hintergrund blitzte, glaubte ich, einen Preis für «Das Auge ißt mit» verdient zu haben. Die schicken Leute in Chelsea hätten es nicht besser machen können. Ben erbot sich, ein sauberes Hemd anzuziehen und sogar eine Krawatte umzubinden. Ich fand ein langes, wallendes Gewand aus lila Seidenjersey und schlüpfte in meine eleganten hochhackigen Sandalen. Mit gewaschenem Haar und all den Schminkstiften und Lidschatten war ich nicht wiederzuerkennen.
Die rosaroten Kletterrosen am Gartentor sahen aus, als wären sie passend zur Tischdekoration aus Seidenpapier gefertigt worden. Kranzschlingen und Vergißmeinnicht-Arrangements schmückten den Tisch und die Bank. Ich kam mir beinahe zivilisiert vor.
Hetty brachte den Wein mit. Miss Ursula hatte mir eine Flasche Sherry gebracht. Wir tranken zusammen auf der neu ernannten Terrasse — ich hätte auch Patio sagen können - und bewunderten einander. Hetty war in cremefarbener Seide, sie hatte keine Schuhe an, und ihre Fingernägel und Zehennägel waren golden lackiert. Sie trug eine breite Goldkette, die mit glänzenden, farbigen Steinen besetzt war, und an einer Hand einen dazu passenden Ring. Sogar Ben war beeindruckt. Wir standen da wie Fremde, während Charles Aznavour im Hintergrund unbekümmert schmachtende Sachen sang. Wir hielten unsere Gläser in unnatürlichen Winkeln, wir posierten - wer hätte das gestern noch gedacht! Ben sah in seinem gestärkten Oberhemd und den sauberen Jeans bemerkenswert adrett aus, aber irgendwie komisch. Seine Tennisschuhe, die zusammen mit Akne, Zähnen und Ohren zu seinen unveränderlichen Merkmalen gehörten, wurden zum Glück halb vom Schatten verborgen. Ich stellte ihn Hetty vor, dann trank ich - endlich - mit Hetty Brüderschaft, und anschließend rauschte ich ins Haus, um ein paar Cocktailzwiebeln zu holen und die kleine Schale mit den Oliven aus dem Glas, das, Teil meines guten Rufs als Gastgeberin, zwischen anderen Raritäten irgendwo hinten im Kühlschrank gestanden hatte.
Es war nicht leicht, überhaupt etwas zu tragen. Die Spannung, die plötzlich in der Luft lag, beunruhigte Toby, der nun so dicht neben mir ging, daß ich die Schalen in Schulterhöhe tragen mußte, um seiner Nase nicht mit den Ellbogen in die Quere zu kommen. Es wirkte wie ein triumphaler Einzug, und ich mußte an die Geschichte aus
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