Das Imperium
haben Sie sicher genug von unseren prächtigen Sehenswürdigkeiten.«
Die junge Frau lächelte strahlend und offen. »Wie könnte man so viel Energie und so viel Aufregung satt haben? Das Bemühen, alles zu verstehen, bereitet mir Kopfschmerzen, aber ich möchte nicht damit aufhören.«
Jora’h lachte – es klang melodisch. »Sie sind sehr erfrischend, Nira.« Er geleitete die beiden Besucherinnen in einen Saal mit Kurtisanen und Funktionären, die alle dem menschenähnlichen Adelsgeschlecht angehörten. Ihre Kleidung schmiegte sich perfekt an die schlanken Körper. In den Gesichtern der haarlosen Frauen zeigten sich bunte, geschwungene Linien und viele von ihnen trugen vom Kragen projizierte schimmernde elektrostatische Kapuzen, deren Farben zu ihren Gewändern und Umhängen passten.
Entzückt betrat Nira den Saal; Jora’h blieb dicht hinter ihr. Otema folgte ihnen, mit hoch erhobenem Kopf und neutralem Gesichtsausdruck. Die eiserne Dame schien von der Schönheit um sie herum nicht beeindruckt zu sein, aber Nira zeigte ihre Neugier ganz offen und ihr Staunen reichte für beide.
Über der zentralen Kuppel hing eine nach unten offene Halbkugel. Sie bildete einen künstlichen Himmel, ein großes, schwebendes Terrarium. Ein Durcheinander aus Blättern, Blumen und Ranken ragte aus der Öffnung. Sprüher sorgten für einen Feuchtigkeitsnebel, der sich auf den Blättern niederschlug und sie glänzen ließ. Exotische Geschöpfe, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Kolibris und Schmetterlingen aufwiesen, flogen hin und her, sammelten Nektar oder tranken Wasser, das sich hier und dort in Blütenkelchen sammelte.
»Wieso bleiben die Vögel und Schmetterlinge in der Kugel?«, fragte Nira. »Warum fliegen sie nicht hierher?«
»Ein Sperrfeld treibt sie ganz sanft zurück. Die Geschöpfe wissen nicht einmal, dass sie in der Kugel gefangen sind.« Jora’h trat vor. »Kommen Sie, damit ich Sie meinem Vater vorstellen kann. Wir müssen uns um die wichtigen Dinge kümmern, bevor Sie mich ablenken und in mir denn Wunsch wecken können, Ihnen interessantere Bereiche des Prismapalastes zu zeigen, liebe Nira.«
»Erstdesignierter«, sagte Otema streng, »die Begegnung mit dem Weisen Imperator ist für uns von größerem Interesse als alles andere, das Sie uns zeigen könnten.«
Die beiden Frauen gingen weiter, in den Armen die Schösslinge, die das helle Licht der sieben Sonnen tranken. Niras grüne Haut war seit ihrer Ankunft dunkler geworden. Zwar sehnte sie sich manchmal nach der kühlen Dunkelheit einer Nacht im Wald, aber sie war nie müde oder gelangweilt. Sie hatte viele Köstlichkeiten gegessen und der Prozess der Photosynthese in ihrer Haut gab ihr zusätzliche Kraft; deshalb brauchte sie weniger Ruhe als zuvor.
Der mächtige Weise Imperator saß in seinem Chrysalissessel. Hoch über ihm schufen Sprüher eine dunstige Wolke, auf die ein Hologramm projiziert wurde: Es zeigte das runde Gesicht des Imperators. Es wirkte wie ein Vollmond unter der Öffnung der Himmelssphäre und die Lippen bewegten sich, als der Imperator zu den Personen sprach, die vor ihm auf dem polierten Boden standen. Ein dicker Lichtstrahl ging vom bettartigen Thron aus, eine glühende Säule, die das Hologramm weiter oben zu tragen schien.
Als der Weise Imperator seinen Sohn mit den beiden grünen Priesterinnen sah, schickte er zwei Adlige fort, die sich verneigten und beiseite wichen. Der attraktive Erstdesignierte trat vor und seine dünnen goldenen Zöpfe formten eine Mähne. Er wandte sich den beiden Frauen zu. »Kommen Sie.« Mit einem freudigen Lächeln führte er Nira und Otema zu seinem Vater unter der offenen Himmelssphäre. »Vater, Weiser Imperator, es ist mir eine Ehre, dir diese beiden Besucher von Theroc vorzustellen.«
Nira blickte in das große, käsige Gesicht des Oberhaupts aller Ildiraner. Sie konnte nicht die geringste Ähnlichkeit zwischen dem Weisen Imperator und seinem Sohn erkennen, der sich durch eine virile, animalische Anziehungskraft auszeichnete.
Der Weise Imperator ruhte halb zurückgelehnt. Sein Kopf kam ein wenig nach vorn, als er sagte: »Alle sind willkommen in Mijistra, auch Menschen. Unsere beiden Kulturen haben viel voneinander zu lernen.«
Jora’h schien diese Worte schon einmal gehört zu haben. Er berührte Nira an der Schulter und sie fühlte seine beruhigende, warme Präsenz. »Vater, dies sind grüne Priesterinnen, Diener des theronischen Weltwalds. Sie beherrschen den Telkontakt, der unmittelbare
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