Das Imperium
der Männlichkeit ging für den Erstdesignierten plötzliche Erleuchtung einher – dann würde er alles verstehen. Das Wissen war über zahllose Generationen hinweg weitergereicht worden, von einem Weisen Imperator zum nächsten, damit das Ildiranische Reich nie schwach wurde, sich nie veränderte.
»Ich habe gehört, dass dein Sohn Zan’nh Hervorragendes in der Solaren Marine leistet. Adar Kori’nh lobt ihn sehr.«
Jora’h nickte. Zan’nh war zwar kein reinblütiger Angehöriger des Adelsgeschlechts, aber mit seinen Fähigkeiten und Ambitionen wäre er vielleicht ein besserer Nachfolger gewesen als der egozentrische Thor’h. »Ja, er ist gerade zum Qul befördert worden. Der Adar hat weitere militärische Manöver und eine spektakuläre Schau unserer prächtigen Schiffe und ihrer geschickten Piloten angekündigt. Alle freuen sich darüber, dass du mehr Festakte und Feiern angeordnet hast.«
Der Weise Imperator nickte. »Vermutlich weißt du auch, dass unsere Handwerker einen neuen Koloss angefertigt haben, einen wundervollen Obelisken, der in Mijistra aufgestellt wird. Unsere Splitter-Kolonien bekommen kleinere Kopien, zusätzlich zu den Statuen, die sie bereits haben.«
»Du hast eine solche Ehre verdient, Vater.«
Diese schmeichlerische Bemerkung seines Sohns schien den Weisen Imperator zu verärgern. »Darüber hinaus habe ich unsere besten Erinnerer gebeten, öfter aufzutreten, sodass zusätzliche Teile der Saga vorgelesen werden. Unser Volk soll auch mit den weniger bekannten Helden vertraut sein.«
»Hast du damit auch den überlebenden Historiker von Crenna beauftragt? Dio’sh? Man hat ihn nicht mehr gesehen…«
Der Weise Imperator winkte mit einer großen, fleischigen Hand. »Ja, ich habe ihn und andere Erinnerer zu Splitter-Kolonien geschickt. Es spielt keine Rolle, zu welchen Welten sie flogen.«
Jora’h strahlte. »Alles, was du sagst, macht mich stolz darauf, dein Erbe zu sein. Du wirst mir ein unvergleichliches Vermächtnis hinterlassen, das du mit jedem Tag stärkst.«
Die sanfte Gutmütigkeit, die der Weise Imperator der Öffentlichkeit zeigte, verschwand aus seinem Gesicht. »Und warum habe ich solche Maßnahmen ergriffen, Jora’h? Denk über die Frage nach!« Der scharfe Ton überraschte seinen Sohn. »Aus welchem Grund halte ich solche Anstrengungen für notwendig?«
»Zweifellos willst du damit den Ruhm des ildiranischen Volkes mehren.«
»K’llar bekh! Du bist zu naiv, um mein Erstdesignierter zu sein!« Der Weise Imperator bewegte sich unruhig in seinem Chrysalissessel und sein Zopf zuckte. »Eine so selbstzufriedene Billigung erwarte ich von der Bevölkerung, aber du solltest imstande sein, in die Schatten zu blicken und Details zu erkennen, die nur ein Experte bemerken kann.« Enttäuschung und Ärger vibrierten in seiner Stimme.
Jora’h fühlte sich gescholten. »Was ist dann der Grund, Vater? Bitte erklär ihn mir.«
Der Weise Imperator stemmte sich in dem schoßartigen Sessel hoch. »Der Grund ist: Der Glanz des Ildiranischen Reiches verblasst tatsächlich, so wie es die höhnischen Menschen vermuten! Wir zogen unsere Splitter-Kolonie von Crenna zurück, weil es dort zu einer Seuche kam, aber wir haben auch andere Welten aufgegeben. Siehst du nicht, wie die Menschen Anspruch auf jeden zur Verfügung stehenden Planeten erheben und sich wie ein Feuer ausbreiten? Und anstatt zufrieden zu sein, werden sie mit jeder neuen Siedlung hungriger.«
Der lange Zopf wand sich nun wie eine wütende Schlange hin und her. Unbewusst trat Jora’h einen Schritt beiseite. »Im Gegensatz zu uns«, stieß der Weise Imperator voller Zorn hervor. »Wir ziehen uns zurück, anstatt zu erforschen. Unsere Macht schwindet… Schon seit Jahrhunderten.«
Jora’h sah schockiert zu seinem Vater auf. »Das ist mir bisher nicht aufgefallen.«
»Weil du nicht richtig Ausschau gehalten hast«, erwiderte der Weise Imperator. »Aus diesem Grund müssen wir unsere historischen Feiern verstärken. In alten Aufzeichnungen der Menschen ist die Rede von ›Brot und Spielen‹, um das Volk abzulenken. Solange die Ildiraner an die Größe und Pracht des Reiches glauben, können wir auch uns selbst davon überzeugen, dass eine solche Erhabenheit wirklich existiert.«
Verblüfft versuchte Jora’h, mit der neuen Perspektive für die Realität fertig zu werden. Er zweifelte nicht an den Worten seines Vaters – wie konnte jemand die Ausführungen des Weisen Imperators infrage stellen? Er log nie und war
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