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Das Inferno

Das Inferno

Titel: Das Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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antworten konnte.
    Hör endlich auf, mich anzustarren,
dachte Lisa verzweifelt und hoffte inständig, der Penner würde woanders hinschauen.
    Ihr stummer Befehl schien gewirkt zu haben, der Penner senkte nämlich auf einmal den Blick und verkorkte umständlich seine Whiskyflasche. Dann rülpste er laut und sah hinauf zu den beiden Männern, die über Lisa auf dem Gehsteig standen.
    »Eine Rothaarige sucht ihr?«, fragte er.
    »Bist du taub?«, fauchte der Dicke. »Das habe ich doch grade eben gesagt. Gib mir gefälligst eine ordentliche Antwort, du Laus.«
    »Rothaarige habe ich momentan drei hier unten«, sagte der Penner grinsend. »Dazu noch zwei Brünette und eine Blondine, aber die teile ich mit niemandem. Kommt nur runter, dann schlag ich euch mit meiner Flasche den Schädel ein.«
    Er packte die Flasche am Hals, stand schwankend auf und taumelte mit unsicheren Schritten auf die kleine Treppe zu.
    »Ich gehe jetzt runter und stopfe dem Arschloch das Maul, Barton«, sagte eine böse klingende Stimme direkt über Lisas Kopf.
    »Halt die Fresse, Panko. Wir können unsere Zeit nicht mit einem voll gesoffenen alten Penner vergeuden. Los jetzt, wir müssen uns beeilen…«
    Mit einem unterdrückten Seufzer der Erleichterung hörte Lisa, wie sich die beiden über ihr wieder in Bewegung setzten.
    Außerdem wusste sie jetzt auch noch die Namen ihrer Verfolger: Barton und Panko. Der zweite Name klang irgendwie osteuropäisch. Erst jetzt fiel Lisa ein, dass der Mann ja auch einen merkwürdigen Akzent gehabt hatte.
    Der Penner deutete mit dem Finger auf sie. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich sehe nach, ob der Abschaum auch wirklich weg ist.«
    Der Mann blieb so lange weg, dass Lisa sich bereits fragte, ob er sich irgendwo anders einen neuen Unterschlupf gesucht hatte, aber dann hörte sie, wie sich seine leicht schlurfenden Schritte näherten.
    »Die Mistkerle sind in der Gower Street verschwunden. Am besten gehen Sie in die andere Richtung. Tut mir Leid, dass es da drinnen so stinkt.«
    »Nicht der Rede wert. Ich bin Ihnen ja so dankbar. Der Himmel weiß, wovor Sie mich bewahrt haben.«
    Lisa verließ die Nische und stand auf. Sie griff nach ihrem Geldbeutel, zögerte dann aber. Sie fragte sich, ob es der Penner nicht als Beleidigung auffassen würde, wenn sie ihm Geld anbot. Der Mann schien ihre Gedanken erraten zu haben, er zog nämlich unter seinem abgerissenen Mantel eine Brieftasche hervor und zeigte sie Lisa. Sie war voller Banknoten.
    »Ich brauche kein Geld«, sagte er. »Ich arbeite bei der Müllabfuhr. Ist zwar nicht der allersauberste Job, aber man verdient dabei gut. Und jetzt machen Sie, dass Sie weiterkommen…«
    Lisa warf ihm einen Luftkuss zu und stieg die Treppe hinauf.
    Oben schaute sie nach links, und als sie dort niemanden sah, eilte sie in die andere Richtung davon. In der Tottenham Court Road hielt sie ein Taxi an.
    »Zum Reefers Wharf im East End. Kennen Sie das?«
    »Na klar, was denken Sie denn? Schließlich habe ich meine Taxiprüfung ja nicht umsonst gemacht. Allerdings fahre ich nicht oft jemanden dorthin.«
    Nach einer knappen Stunde Fahrt zahlte Lisa den Taxifahrer, stieg aus und ging zu Fuß weiter. Sie hielt es für klüger, wenn der Fahrer nicht ihr wirkliches Ziel kannte. Es war gerade Markttag, und die breite Straße war voller Verkaufsstände, an denen die Händler mit lauten Rufen ihre Waren feilboten. In ihrem teuren Kamelhaarmantel wurde Lisa sofort zur Zielscheibe ihrer Anpreisungen.
    »Hallo, Lady, heute kriegen Sie bei mir sogar was geschenkt.
    Das ist kein Aprilscherz – obwohl heute der erste April ist…«
    Lisa ging nicht darauf ein und eilte weiter, bis sie zu einem alten Pub namens
The Hangman’s Noose
kam. Sie trat ein und sah, dass dort mehrere Markthändler beim Bier saßen. Hinter dem Tresen stand ein Mann, der sie mit einer Handbewegung herbeiwinkte.
    »Hallo, Herb«, sagte Lisa mit leiser Stimme. »Ich brauche ein Zimmer. Ich habe vierundzwanzig Stunden lang nicht richtig geschlafen. Zwei finstere Gestalten haben mich verfolgt, aber ich habe sie Gott sei Dank abgehängt.«
    »Zimmer drei«, sagte Herb und holte unter der Theke einen Schlüssel hervor. »Die Treppe hinauf und dann geradeaus den Gang entlang. Das Zimmer geht nach hinten raus und ist ziemlich ruhig. Du siehst zwar ein bisschen mitgenommen aus, Lisa, aber trotzdem bist du so schön wie eh und je. Hast du denn schon etwas gegessen?«
    »Nein.«
    »Das dachte ich mir. Wie wär’s denn mit Schinken und

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