Das Inferno
mal so ausdrücken: Rhinozeros gilt als der vertrauenswürdigste Bankier der Welt. Deshalb hat mich das, was ich kürzlich herausgefunden habe, auch so erschüttert.«
»Und was war das?«
»Dass große Summen gewaschenen Geldes aus unbekannter Quelle über die Zürcher Kredit gelaufen sind. Ich konnte es kaum glauben, aber es ist wahr.«
»Das passt aber gar nicht zu dem Rhinozeros, den Sie uns gerade geschildert haben.«
»Es widerspricht allen seinen Prinzipien. Allerdings waren die Transaktionen buchhalterisch äußerst gut kaschiert. Ich bin nur durch Zufall darauf gekommen.«
»Könnten Sie sich vorstellen, dass er diese internationalen Unruhen finanziert?«
»Dazu kann ich Ihnen jetzt noch nichts sagen, aber ich werde die Augen offen halten.«
»Eine Frage noch. Wie groß ist das Vermögen der Zürcher Kredit?«
»Achtzig Milliarden Dollar. Das ist mehr, als das Firmenvermögen von Microsoft…«
11
Der Mann, der den französischen Strafverfolgungsbehörden als »Monsieur Bleu« bekannt war und die Morde an Jason Schulz in Washington und Jeremy Mordaunt in Alfriston zu verantworten hatte, tat so, als würde er an seinem schweren Motorrad herumschrauben, das er nicht weit vom Élysée-Palast in Paris am Randstein abgestellt hatte.
In seinem schwarzen Lederzeug sah Bleu, ein großer, schlanker Mann, viel massiver aus, als er war. Durch das Visier seines Helms blickte er immer wieder hinüber zum Eingang des Élysée-Palasts, in dem der französische Staatspräsident residierte.
Monsieur Bleu wartete auf Louis Lospin, den persönlichen Assistenten und einflussreichsten Berater des Premierministers und sah mit Missbehagen, wie ein Passant auf ihn zukam und vor dem Motorrad stehen blieb.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte der Mann, der von Beruf Motorradmechaniker war.
»Merde!«
, fauchte Bleu den Mechaniker rüde an.
Der Mann zuckte mit den Achseln und ging kopfschüttelnd weiter. Jetzt wurde man schon beleidigt, wenn man jemandem seine Hilfe anbot. Hinter ihm wandte Bleu sich wieder dem Élysée-Palast zu, wo gerade ein Wagen aus dem Hof fuhr. Am Nummernschild erkannte er, dass es Louis Lospins Limousine war. Bleu setzte sich auf seine Maschine, die mit dem ersten Druck auf den Starterknopf ansprang, und fuhr dem Wagen hinterher.
Lospins Limousine folgte derselben Route, die sie schon am Tag zuvor genommen hatte. Als sie schließlich vor einem Wohnhaus im noblen Vorort Neuilly parkte, hielt auch Bleu an, blieb aber auf seinem Motorrad sitzen.
Mit der linken Hand nahm er eine Stoppuhr aus der Lederjacke und maß damit die genaue Zeit, die Lospin benötigte, um den Wagen zu verlassen und die Treppe zum Eingang des Hauses hinaufzusteigen. Außerdem bemerkte er, dass der Chauffeur sofort abfuhr, nachdem Lospin den Schlüssel in die Haustür gesteckt hatte. Genau so hatte es sich am Tag zuvor auch abgespielt.
Monsieur Bleu bereitete alle seine Attentate mit allergrößter Sorgfalt vor und verfolgte seine Opfer tagelang, um ihre Gewohnheiten genauestens auszukundschaften. Erst wenn er alles über sie wusste, legte er einen genauen Zeitplan für die Tat sowie Anfahrt und Fluchtweg fest. So konnte er rasch an sein Opfer gelangen, es töten und ebenso schnell wieder verschwinden.
Allerdings wusste er nicht, dass Interpol, deren Zentrale sich in einem festungsgleichen Gebäude weit entfernt von Paris befand, bereits eine Akte über ihn angelegt hatte.
In seinem winzigen Büro in diesem Gebäude studierte gerade ein Ermittler namens Pierre Marin eine Kopie dieser Akte, weil die französischen Botschaften in Washington und London ihm neue Erkenntnisse über die angeblichen Selbstmorde von Schulz und Mordaunt geschickt hatten.
Es gab zwar keine Beweise für eine Verbindung zwischen den beiden Taten, aber Marin war sich sicher, dass es eine gab. Und er hätte viel Geld darauf gewettet, dass der mysteriöse Monsieur Bleu dahintersteckte. Obwohl die Akte nur wenige neue Informationen enthielt, las er sie dreimal hintereinander aufmerksam durch. Tweed hätte seine helle Freude an ihm gehabt.
Letztlich kam Marin zu dem Schluss, dass Monsieur Bleu vielleicht in Amerika und England sein Unwesen treiben konnte, jedoch nicht in Frankreich. Dazu waren die französischen Behörden viel zu wachsam. Da war es schon viel eher wahrscheinlich, dass Deutschland das nächste Ziel des Attentäters sein würde.
Nichts für uns, aber vielleicht interessant für Sie,
schrieb er auf Französisch auf die letzte Seite der
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