Das Inselcamp
ist es gut.
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Aus dem Gleichgewicht
Judith hatte Andi und die anderen vorausgehen lassen zum Lager. Auf dem Steg, ganz weit draußen, da wo Tom gestanden hatte mit dem Mühlstein um den Hals, saß Judith und hatte das Kinn auf die angezogenen Knie gelegt. Ein Gewitter lag in der Luft. Sie spürte es aufziehen.
Dann knarrte der Steg. Andi, dachte Judith. Oder Mama. Es war weder der eine noch die andere. »Ich habe dich gesucht, Judith«, sagte Mattis Kinderstimme. Gleich darauf saß er neben ihr und ließ die Beine baumeln. Das Wasser war da. Es plätscherte träge und funkelte in der immer noch hoch stehenden Sonne.
»Geh zu den anderen, Matti«, sagte Judith. »Ich muss ein bisschen allein sein.« Matti nickte. Er tastete nach ihrer Hand. »Ich weiß«, sagte er. »Andis Vater sollte die Finger von deiner Mutter lassen.« Er drückte Judiths Hand, als er das sagte. Seine Finger waren schwitzig. »Und Andi seine von dir!«, fügte er hinzu. Und drückte noch fester.
»Matti, was soll das?« Judith wollte ihre Hand zurückreißen. Aber Matti hielt eisern fest. Er war auf einmal sehr stark. »Vergessen?«, fragte er mit einem schiefen Grinsen. »Wir sind verheiratet, Judith.«
Judith dachte an den unglückseligen Abend, an dem sie alle Jacques’ Wodka getrunken hatten. »Das war das Dümmste, was wir uns hier geleistet haben«, sagte sie abweisend.
»Wie kannst du das sagen?« Auf einmal klang Mattis Stimme fast flehend. »Judith, ich dachte, du magst mich.« Judith versuchte aufzustehen. Matti hing an ihr wie ein Mühlstein. »Hör auf mit dem Unsinn!«, rief sie ärgerlich.
Taumelnd kam auch Matti auf die Füße. »Das ist kein Unsinn«, sagte er. »Judith, ich … liebe dich.« Bevor sie etwas erwidern konnte, legte er seine Arme um sie und versuchte sie zu küssen. Für einen Augenblick war sie überrumpelt. Dann wehrte sie sich.
Der folgende Ringkampf dauerte nicht lange. Bevor sie voneinander loskamen, verloren sie das Gleichgewicht. Mit einem lauten Platsch fielen sie beide ins Wasser.
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Der verlorene Vater
»Sei kein Frosch!«, sagte Judith. Matti hockte triefend neben ihr auf dem Steg und schniefte. »Es ist nichts geschehen.« Es war nicht mehr warm genug, um nass herumzusitzen. Aber siesah, dass Matti nichts anderes fertigbrachte. Und sie brachte es nicht übers Herz, ihn einfach sitzen zu lassen.
»Matti, sag mir, was los ist.« Seine Schluchzer waren hysterisch. »Hab ich doch gesagt … hat alles … keinen Sinn …«
»Matti«, sagte sie streng. »Du liebst mich nicht. Bei dieser albernen Hochzeit wolltest du lieber weglaufen als mich küssen. Komm schon: Was ist los?«
»Kann nicht … will nicht«, heulte Matti. »Bin erledigt.« Judith verstand auf einmal ihre Mutter. In der Nacht der Wodkahochzeit. Als sie aufgab. Das ist zu viel. Das – geht – mich – nichts – an.
Sie biss die Zähne zusammen. »Matti, ich geh weg«, sagte sie. »Wenn du jetzt nicht redest, geh ich einfach weg.« Matti fuhr sich mit dem nassen Arm über das ebenso nasse Gesicht und richtete sich auf. »Du weißt ja schon alles«, sagte er. »Ich kann nicht küssen.«
Judith schluckte. Sie hatte gehofft, dass der Kuss vom Tisch sei. Judith hatte keine Ahnung vom Küssen. »Quatsch«, sagte sie. »Küssen kann jeder. Es muss nur der Richtige sein.«
Matti wandte sich ab. » Der Richtige …«, murmelte er. »Wenn du wüsstest, was ich gesehen habe … ich wünschte, ich hätte nicht … ach, Judith, wenn ich nun auch so bin wie er …«
»Wie – er ?« Endlich fiel Judith auf, seit wann Matti sich seltsam benahm: seitdem er zum Strand gelaufen war, um seinen Vater zu überraschen. »Väter!« Sie seufzte. »Die können einem ganz schön die Suppe versalzen.«
Matti gluckste leise. Es klang nicht mehr wie Schluchzen. Eher schon wie unterdrücktes Lachen. Judith atmete auf und machte den Anfang. »Meiner ist hässlich und alt«, vertraute sie ihm an. »Meiner ist schwul«, sagte Matti. Danach war es eine Weile still.
»Matti«, sagte Judith schließlich. »Das ist, wie es ist. Du wirst dich daran gewöhnen.« Wie ich mich an Jonas, dachte sie. »Und mach dich nicht verrückt«, fuhr sie eindringlicher fort: »Es vererbt sich nicht.« Matti richtete sich weiter auf. »Wirklich nicht?«, fragte er treuherzig.
»Es steckt auch nicht an«, sagte Judith. »Und wie auch immer: Er ist dein Vater.«
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Regen und
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