Das Internat
Aufmerksamkeit zu erregen, winkte Breeze mit der Fernbedienung. Sie deutete auf den Fernseher, wo von dem Selbstmord einer bekannten Persönlichkeit berichtet wurde. "Meinst du
den
Frank O'Neill?"
Auf dem Bildschirm verfolgten sie, wie eine Gruppe Sanitäter eine Trage aus einer rustikalen Holzhütte trug. Etwas, das wie die Leiche eines Mannes aussah, war von Kopf bis Fuß verhüllt. Die Reporterin des lokalen Nachrichtensenders brachte ihre Bestürzung und ihr Beileid für alle Hinterbliebenen, Freunde und Kollegen des Staatsanwaltes von Marin County zum Ausdruck.
"Nach Ansicht der Ärzte handelt es sich hier scheinbar um einen Selbstmord", erklärte sie, gegen den Lärm der Feuerwehrwagen anschreiend. "Wir wissen nicht, warum ein öffentlicher Bediensteter, der mit so viel Hingabe bei der Arbeit war, seinem Leben auf diese Weise ein Ende hätte setzen sollen, aber es ist ein trauriger Tag für uns alle."
Mattie lauschte den Nachrichten, verblüfft und schweigend. Sie wartete darauf, dass die Frau von dem Fund eines Videos berichtete, das die Identität jedes Mannes und jeder minderjährigen Schülerin des Sexrings enthüllte. Mattie wartete darauf, dass ihr Name genannt würde.
Um zu sehen, ob sie irgendwelche Polizeiautos entdeckte, warf Mattie einen Blick in den Rückspiegel. Mit einem gemieteten Mercedes raste sie in einer derartigen Geschwindigkeit von der Golden Gate Bridge, die jede Radarfalle hätte explodieren lassen müssen. Mattie musste zu Jameson fahren und pünktlich wieder zurück am Flughafen sein, um mit Breeze den Nachtflug zu nehmen.
Jameson ging immer noch nicht ans Telefon, und Mattie wusste nicht, ob er versucht hatte, mit Frank O'Neill zu sprechen. Vielleicht wusste er noch gar nicht, was passiert war. In den Nachrichten hatte es geheißen, dass es scheinbar Selbstmord war. Vor dem Hintergrund von Daniels' Erpressungsvorwürfen ergab es einen traurigen Sinn, aber Mattie hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Bei fast allem kam es ihr so vor. Die Menschen benahmen sich merkwürdig, sogar ihre zwei engsten Freundinnen. Breeze war in ihr Haus eingebrochen und hatte Mattie fast zu Tode erschreckt – und das Geschehen ließ Breeze seltsam unberührt, selbst für ihre Verhältnisse.
Mattie sagte sich, dass Breeze sich zufällig in der Nacht in ihrem Haus aufgehalten hatte, in der eingebrochen worden war. Trotzdem hatte es einen komischen Nachgeschmack. Breeze brachte nichts aus der Ruhe, wohingegen für Jane alles eine Katastrophe darstellte, das entsprach gar nicht Janes Art. Mattie fürchtete, dass Jane in echten Schwierigkeiten steckte – und vielleicht jahrelang etwas verschwiegen hatte.
Mattie gab etwas weniger Gas. In zu kurzer Zeit passierte zu viel. Als ob sie auf dunkler Straße auf eine Gestalt zurasen und nicht mehr rechtzeitig anhalten könnte, so fühlte sich Mattie. Und das Schlimmste war: Irgendwo da draußen gab es ein Video, das wie eine Landmine darauf wartete, zu explodieren, sobald jemand drauftreten würde.
Wer wird die nächste Leiche sein? Bitte nicht Jameson.
Als sie die Einfahrt hinauffuhr, brannte kein Licht in seinem Haus. Mattie ließ den Motor laufen und rannte zur Haustür. Nichts tat sich auf das Klingeln hin. Mattie drückte die Klingel mehrfach und fragte sich, wo zur Hölle sie Jameson finden sollte. So früh würde er nicht zu Bett gegangen sein, und sein Auto stand nicht in der Einfahrt.
Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Die Zeit rannte ihr davon. Wenn sie den Nachtflug verpasste, müsste sie bis zum nächsten Morgen warten.
Sorgenvoll lenkte Mattie den Mercedes zurück auf die Straße. Als sie sich auf den Weg zum Flughafen machte, ging sie im Geiste alle zurückliegenden Ereignisse durch. Vielleicht fand sie eine Verbindung, ein Zeichen oder ein Muster. Mit einem Mal stand es ihr klar vor Augen: Etwas jenseits des Begreifbaren war im Gang. William Brouds Behauptungen über eine Verschwörung schienen Mattie jetzt sehr realistisch zu sein, möglicherweise handelte es sich um eine Verschwörung, die über alles hinausging, was sie sich vorstellen konnte.
Als alles begonnen hatte, schien Jameson der Einzige zu sein, dem Mattie nicht trauen konnte. Jetzt, so unmöglich es schien, deutete alles darauf hin, dass er der Einzige war, dem sie vertrauen konnte.
41. KAPITEL
R owe-Akademie
Februar 1982
"Stopp, Mattie. Bleib genau da stehen und drehe dich nach links, vielleicht um etwa fünfundzwanzig Grad. Die Bretter sind nicht gerade
Weitere Kostenlose Bücher