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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Forster
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mehr selbst trösten.
    Ihre Nägel waren blutig gekaut und ihre Konzentrationsfähigkeit verloren. Sie konnte in sich keinen Ruhepol mehr finden. Dieser Rückzugsort war verschwunden und drehte sich wie alles andere auch. Gelähmt und zerschlagen fühlte sich Mattie. Sie wusste keinen Ausweg aus dem Loch, in dem sie saß. So lächerlich es schien, das Einzige, das sie jemals aus dieser Verzweiflung geholt hatte, war ein Stück schwarzer Stoff, den sie sich in Momenten wie diesem um die Augen band.
    Ihre Augenbinde. In ihrer Tasche suchte Mattie danach, aber sie fand sie nicht. Sie war verschwunden, so wie ihr Mut, so wie Jameson. Alles. Verschwunden.
    Mattie sah, wie das Wasser im Waschbecken stieg. Sie ließ sich etwas in die Hände laufen und spritzte es sich ins Gesicht. Die Kälte brannte ihr in den Augen.
    Hätte sie die Augenbinde, hätte sie sich in der Dunkelheit verstecken können, bis alle Schreie verstummt wären, ihre, Breezes und Janes. Wenn ihr Geist und ihr Herz sich erst einmal beruhigt hätten, wäre sie wieder ganz, wieder zusammengesetzt und heil wie eine kaputte Puppe. Nach dem Sturz vom Gerüst war die Augenbinde für Mattie zum Sinnbild all ihrer Ängste geworden. Allein der Anblick hatte sie in lähmende Panik versetzt. Deshalb hatte sie sie weggeworfen. Nur hatten Mattie danach solche Albträume heimgesucht, dass sie die schwarze Binde schließlich aus dem Papierkorb gefischt und sich ihren Ängsten gestellt hatte.
    Der Sturz an jenem Tag hätte sie töten müssen. Doch die einzigen Verletzungen, die sie davontrug, waren Einschnürungen vom Seil. Jane hatte darauf bestanden, dass Mattie eine Sicherheitsleine an den Fußgelenken trug. Das hatte Mattie im Fallen gebremst. Die tiefe Angst rührte nicht vom Sturz her. Mattie hatte Angst, weil sie ihren Freundinnen nicht trauen konnte.
    Und jetzt war keine Sicherheitsleine um ihre Fußgelenke gebunden.
    Mattie trat aus dem Bad in die Totenstille des Präsidentenschlafzimmers. In dem Seersucker-Kostüm, das sie den ganzen Tag getragen hatte, saß Jane da. Obwohl auf den ersten Blick alles perfekt aussah, wirkten ihre Kleider doch zerknittert und saßen nicht richtig. Als hätte Jane abgenommen, seit sie sich morgens angekleidet hatte.
    Breeze wartete auf einem Hocker vor Janes Frisierkommode und war damit beschäftigt, die riesige Auswahl an Parfums und Kosmetika zu inspizieren. Mattie wählte den antiken Sekretär und setzte sich dort. Genau in diesem Raum mit den Samtvorhängen und den privaten Habseligkeiten des Präsidenten schien die Landmine, die Mattie sich vorgestellt hatte, platziert zu sein. Wenigstens war Larry Mantle außer Landes, so hatten sie die Räume für sich.
    Mattie schob die Ärmel ihres Leinenblazers hoch und wartete darauf, dass jemand sprach. Dass Janes Neuigkeiten etwas mit Frank O'Neills Tod zu tun hatten, hielt Mattie für wahrscheinlich. Aber sie wollte sie nicht drängen. Jane sah zu zerbrechlich aus.
    Zumindest äußerlich seelenruhig, öffnete Breeze einen Parfumflakon, tupfte sich etwas von dem Duft aufs Handgelenk und schnupperte daran. "Ihr müsst das positiv sehen, Ladys", sagte sie. "Wir sind im Weißen Haus. Wir haben es weit gebracht, seit wir in dem Geräteschuppen Miss Rowes Ableben geplant haben."
    Jane saß am Fußende des Baldachinbettes, die Finger fest um den Bettpfosten geklammert. "Halt die Klappe, Breeze", sagte sie. "Halt verdammt noch mal deine Klappe."
    Breeze stellte das Parfum zurück. "Entschuldigung?"
    "Ich wäre lieber in dem Geräteschuppen", fauchte Jane. "Wenigstens hatten wir damals noch die Hoffnung, dass wir einen Weg aus unserer Misere finden würden. Wenigstens hatten wir uns."
    "Haben wir uns jetzt nicht mehr?", fragte Breeze.
    Janes Stimme klang schmerzverzerrt. "Ich versuche, einen Weg zu finden, euch von dieser grauenhaften Sache zu erzählen, die ich getan habe, und du machst Witze. Mein Leben ist gerade dabei, in eine Million Teile zu zerbrechen, wenn es euch interessiert."
    Sie nahm die Hand vom Bettpfosten und stand auf, fand jedoch das Gleichgewicht nicht.
    Als Jane schwankte, sprang Mattie von ihrem Stuhl auf. "Um Himmels Willen, setz dich hin", flehte sie.
    Jane winkte ab, ließ sich aber auf die andere Seite des Bettes sinken, den anderen den Rücken zugekehrt. Janes Finger berührten ihre Kehle und spielten mit einer imaginären Perlenkette.
    Mattie blieb, wo sie war. Ihr war schlecht, weil sie ahnte, was Jane sagen würde. Früher am Abend, in ihrer Panik, weil sie

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