Das Internat
Jameson nicht finden konnte, hatte Mattie versucht, Ordnung in das Chaos der letzten Tage – der letzten Jahre – zu bringen. Schließlich hatte sie einige Muster erkennen können. Dinge, die auf den ersten Blick zufällig erschienen, waren vielleicht alles andere als das. Noch war es nur eine vage Ahnung, obwohl Matties Überlegungen nur diesen einen Schluss zuließen – und sie fürchtete sich davor, damit richtig zu liegen.
Endlich sprach Jane. "William Broud hat Miss Rowe nicht umgebracht. Ich wusste seit dreiundzwanzig Jahren, dass er unschuldig war."
"Wie konntest du das wissen?", fragte Breeze.
Mattie schien das Herz fast aus der Brust zu springen. "Halt die Klappe", wiederholte sie Janes eigene Worte. "Halt verdammt noch mal die Klappe, Jane!"
"Was zur Hölle ist hier los?" Breeze sprang auf.
"Er hat es nicht getan", flüsterte Jane mit gebrochener Stimme.
"Halt den Mund! Verdammt, Jane." Mattie war rasend. Sie konnte ihre Freundin nicht zum Schweigen bringen. Janes Flüstern übertönte alles andere.
Breeze ging zu Jane hinüber. "Wovon redest du?"
"Er war es nicht.
William Broud war es nicht."
Unfähig zu verstehen, stand Breeze da und starrte Jane an. Sie fiel auf die Knie und sah ihre Freundin einige qualvolle Sekunden lang durchdringend an.
Dann schlug Breeze die Hand vor den Mund. "Oh Gott", flüsterte sie. "Du warst es?
Du
hast Miss Rowe getötet?"
Jane senkte den Kopf. Sie nickte.
Dass etwas Furchtbares kommen würde, hatte Mattie gewusst. Jane hatte fast darum gebettelt, gestehen zu dürfen. Trotzdem wandelte sich Matties Reaktion von Schock in Unglauben. Das konnte einfach nicht wahr sein. Jane brach stressbedingt zusammen. Sie war nicht mehr rational. Sie alle brachen zusammen.
"Das ist nicht möglich", sagte Breeze. "Miss Rowe wurde erstickt. Wir haben ihr das Gift verabreicht, das hat sie doch nicht umgebracht."
"Ich denke, ich weiß, ob ich jemanden getötet habe oder nicht", brachte Jane heraus. "Auf ihrem Kissen war mein Blut.
Ich
habe sie erstickt."
Mattie ging auf das Bett zu, aber Jane drehte sich nicht um. Weil sie offenbar nicht anders konnte, blieb Breeze, wo sie war. Janes Haltung verbot beiden, näher zu kommen. Sie hätte genauso gut von einem Stacheldraht umgeben sein können.
Jetzt begann Mattie es zu glauben.
"Wie hast du es denn gemacht?", fragte Breeze. "Du hattest doch Französischunterricht, oder nicht?"
"Ich habe die Stunde geschwänzt …" Jane atmete tief ein und begann, sich alles von der Seele zu reden. Offenbar hatte sie lange Zeit auf diesen Moment gewartet und ihn wahrscheinlich genauso gefürchtet wie herbeigesehnt. "Ich ging zurück in ihr Apartment", sagte sie, "um zu sehen, ob das Gift wirkte. Es gab eine Dachgaube, die von einem Schornstein verdeckt war, dadurch habe ich sie beobachtet. Sie war offensichtlich krank, aber lebendig. Ich wollte gehen, um euch zu suchen, als jemand an der Tür klopfte."
"William Broud?", fragte Mattie.
Sie nickte. "Seine Hand blutete. Er hatte sie mit einem Taschentuch umwickelt und er bat Miss Rowe um einen Verband. Doch sie war zu schwach, um ihm einen zu bringen. Er half ihr zurück ins Schlafzimmer und ging dann ins Bad. Als er mit dem Verband zurückkehrte, lag sie mit geschlossenen Augen im Bett. Wahrscheinlich dachte er, dass sie schlief, also ging er. Aber seine Fingerabdrücke und Blutspuren waren auf dem Waschbecken und dem Schrank."
Breeze schien immer noch nicht überzeugt zu sein. "Du hast gesagt, es war dein Blut auf dem Kissen."
"War es auch. Ich dachte, sie sei tot. Um mich davon zu überzeugen, ging ich in ihr Schlafzimmer. Als ich merkte, dass sie immer noch atmete, muss ich einen Schock bekommen haben. Es hat mich so erschreckt, dass ich Nasenbluten bekam. Ich war sicher, dass sie Ivy getötet hatte und uns auch umbringen würde, wenn ich nicht irgendetwas unternähme. Ich konnte nicht einmal das Kissen halten. Also schloss ich die Augen und drückte Miss Rowe das Kissen ins Gesicht, dann legte ich mich darauf und zählte bis hundert."
Mattie fing an, Fragen zu stellen, eine nach der anderen. Sie musste sichergehen. "Das Blut stammte von deinem Nasenbluten?"
"Meine Blutgruppe und Brouds waren zufällig die gleiche, B-negativ."
"Warum hast du uns nichts gesagt?"
"Das wollte ich, aber sie haben Broud noch am gleichen Tag festgenommen. Alle waren davon überzeugt, dass er es war, sogar ihr. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich konnte euch nicht darum bitten, ein so furchtbares Geheimnis
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