Das Internat
gearbeitet. Sie traute niemandem, besonders nicht, wenn die Regierung involviert war.
Noch ein Summen. Bratton griff in seine Tasche und zog etwas heraus, das wie ein winziges Walkie-Talkie aussah.
"Ja, ich höre", sagte er, das Gerät dicht am Mund.
"Wir sind hier fertig", sagte der Anrufer.
"Gut, räumen Sie und gehen Sie zu Phase zwei über. Ich komme um …", er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, "zwölfhundert zu Ihnen."
Mattie sah nach dem Radiowecker auf ihrem Nachttisch. In drei Minuten würde es zwölf Uhr mittags sein. Sie verließen also das Haus, aber was bedeutete Phase zwei?
Als er noch ein paar Gegenstände im Schlafzimmer überprüfte, bemerkte Mattie, dass er nach elektronischen Wanzen und anderen Überwachungsgeräten suchte, nicht nach Drogen. Offenbar verfügte sein Walkie-Talkie über einen Detektor. Er ließ das Gerät über Lampen, Telefone, Teppiche und Kunstgegenstände gleiten. So geschickt wie die Betrüger, die an der Straßenecke Muscheln unter wechselnden Knobelbechern verbargen, berührte und bewegte er die Dinge.
Währenddessen verharrte Mattie und dachte nach. Etwas in seinem Verhalten zeigte ihr, dass er die Wahrheit erzählte. Er
war
beim Secret Service. Aber was bedeutete das? Als er fertig war, faltete er die Handlese-Karten zusammen, stapelte die Bücher und reichte sie ihr.
"Manchmal mache ich meinen Job nicht gern", sagte er. "Sie können das bestimmt verstehen. Sie nehmen den Menschen die Freiheit, ihr Leben. Dabei fühlen Sie sich auch nicht immer wohl, oder? Aber Sie tun es trotzdem."
Dass sie sich nicht immer wohlfühlte, war untertrieben. Die Sorgen wegen des Entführungsfalls schnürten ihr manchmal regelrecht die Luft ab.
"Es ist ein Job." Wie ein Mann, den sein Los langweilte, zuckte er die Schultern. Mattie wusste aus Erfahrung, dass Menschen wie er gefährlich waren. Häufig begegnete sie ihnen im Gerichtssaal; ihnen die Freiheit zu nehmen, bereitete ihr so gar kein Unbehagen.
Er trat ein paar Schritte zurück, dann drehte er sich um und verließ den Raum.
Augenblicke später hörte sie, wie die Haustür ins Schloss fiel. Erschöpft sank sie auf das Bett. Die Handlese-Karten rutschten ihr aus der Hand, als sie den festen Griff lockerte. Sie hatte keine Ahnung, was gerade passiert war. Im Gerichtssaal wurde von ihr erwartet, dass sie mit solchen Situationen umzugehen wusste. Aber dort saß sie auf dem Richterstuhl. Sie war noch nie das Opfer einer Durchsuchung geworden und konnte sich immer noch nicht erklären, wie sie dazu gekommen war. Ihr Anruf bei Jane im Weißen Haus konnte keine so extreme Reaktion ausgelöst haben. Oder der Artikel im
Chronicle.
Aber vielleicht hatten sich die Dinge weiterentwickelt, ohne dass Mattie davon wusste. Der Gedanke erschreckte sie, dass sie bereits unter Beobachtung stand, wegen des Verbrechens, von dem William Broud gerade freigesprochen worden war.
Ein Lachen brach aus ihr heraus. Panisches Lachen, heiß und scharf wie Brennnesseln. Es war absurd, undenkbar. Sie sollte wirklich einen Anwalt anrufen, nur um sicherzugehen. Aber andererseits, wem könnte sie diese Information ohne Bedenken anvertrauen?
Beruhige dich, sagte sie sich. Bevor du irgendetwas anderes tust, musst du erst mal ruhiger sein.
Eine Weile saß sie auf dem Bett und wartete, aber ihr Kampfgeist schien sie verlassen zu haben. Der gerechte Zorn packte sie nicht und verschaffte ihr auch keine Erleichterung. Um ihren legendären Mut wiederzufinden, ihn mühsam wieder an die Oberfläche zu holen, würde sie in sich gehen müssen. So durcheinander war sie.
Alis volat propriis.
Der lateinische Satz, den sie vor Jahren in der Schule aufgeschnappt hatte, kam ihr in den Sinn und erinnerte sie an echte Not. Was sie gesehen, gehört und in jenen Tagen ertragen hatte, ließ die Sorgen der Gegenwart wie eine kleine Unannehmlichkeit erscheinen. Wenn ein junges Mädchen so etwas ertragen konnte, wie konnte eine Frau sich dann von diesen Ereignissen aus der Ruhe bringen lassen?
Wörtlich übersetzt bedeutete der Satz:
Sie fliegt mit ihren eigenen Flügeln.
"Alis volat propriis",
wiederholte Mattie, nachdem sie sich vom Bett erhoben hatte und wieder fest auf den Füßen stand. Sie würde ihr Haus inspizieren; die Zimmer wieder aufzuräumen, eines nach dem anderen, und dies würde ihr helfen, einen klaren Kopf zu bekommen.
Aber als Mattie ins Wohnzimmer ging, entdeckte sie plötzlich eine Frau.
Gekleidet in einen eleganten schwarzen Hosenanzug, stand eine
Weitere Kostenlose Bücher